Full text: Vom Beginn des Dreißigjährigen Krieges bis zum Tode Wilhelms I. (Teil 2)

92 VIII. Vom Westfälischen Frieden bis zur Französischen Revolution. 
a. Kirchliche 
Reformen. 
b. Staatliche 
Reformen. 
führen, deren Verwirklichung er für seine Erbstaaten mit großem Eifer 
und überstürzender Hast anstrebte. Die Reformen zerfallen in solche, 
die sich auf das kirchliche und in solche, die sich auf das staatliche 
Gebiet beziehen. 
Kirchliche Reformen. Joseph II. suchte das Band zu lockern, 
welches den österreichischen Klerus an den Papst knüpfte, und wollte 
das kirchliche Leben vor allzu großer Beeinflussung durch römischen 
Geist bewahren. Zu diesem Zwecke verpflichtete er die Bischöfe durch 
einen Eid zur Beobachtung der Landesgesetze, ordnete er an, daß die 
päpstlichen Erlasse nur mit Genehmigung seitens des Landesherrn in 
den Kirchen bekannt gegeben werden durften, stellte er die geistlichen 
Orden unter Aufsicht der Bischöfe und verbot ihnen den Verkehr mit 
auswärtigen Oberen, hob er etwa 700 Klöster auf (J/8 aller vor¬ 
handenen und zwar diejenigen, welche nur der Beschaulichkeit dienten, 
weder Schule hielten, noch predigten und den Beichtstuhl versahen, 
noch Kranke pflegten, noch wissenschaftlich Hervorragendes leisteten) und 
verwendete deren Vermögen zur Gründung von Pfarreien, Schulen, 
und Wohltätigkeitsanstalten: Tanbstummeninstitnt, Findelhaus, Irren-, 
Waisen- und Krankenhäusern. Die größte Bedeutung erlangte das im 
Jahre 1781 erlassene Toleranzedikt, welches den beiden protestan¬ 
tischen Konfessionen und den Anhängern der griechischen Kirche die 
Privatausübung ihrer Religion in einfachen Bethäusern und bürger¬ 
liche Gleichberechtigung mit den Katholiken einräumte. Alle diese in 
das kirchliche Leben ties einschneidenden Neuerungen erweckten, da sie 
mit rücksichtsloser Energie, ohne Schonung der herrschenden Vorurteile 
und der Neigungen des Volkes durchgeführt wurden, den Unwillen 
der Geistlichkeit und der großen Menge und riefen eine heftige Oppo¬ 
sition hervor; aber der Kaiser ließ sich uicht einschüchtern. Wir¬ 
kungslos waren auch die Versuche, welche der Papst Pius VI. machte, 
um Joseph zur Zurücknahme der vollzogenen Maßregeln zu veran¬ 
lassen. Der Monarch empfing den Papst, der, um durch seinen persön¬ 
lichen Eindruck den Reformator umzustimmen, selber nach Wien gereist 
war, mit geziemender Ehrfurcht, blieb aber unbeugsam und ließ sich 
durch keine Vorstellung zu irgend einem Entgegenkommen bewegen 
(1782). 
Staatliche Reformen. Wie auf kirchlichem Gebiet, so suchte 
Joseph II. mit gleicher Lebhaftigkeit auch in deu bürgerlichen Ein¬ 
richtungen Neuerungen durchzuführen. Eine seiner ersten Anordnungen, 
die er in dieser Richtung traf, bezog sich aus die Verhältnisse des 
Bauernstandes. Indern er die gedrückte Lage desselben als eine Un¬ 
gerechtigkeit ansah, hob er die Leibeigenschaft aus und beschränkte 
das Strasrecht der Grundherren auf ein geringes Maß. (Eine ge¬ 
wisse Gutsuntertänigkeit blieb bestehen.) Im Hinblick darauf sagte
	        
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