§ 99. Österreich unter Maria Theresia und Joseph II.
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Klopstock in einer an den Kaiser gerichteten Ode: „Du machest 511m
Untertanen den jochbeladenen Landmann." Geleitet von dem Ge¬
danken, daß alle Untertanen gleichberechtigt vor dem unbestechlichen
Gesetze seien, reformierte Joseph auch die Rechtspflege, hob die
Steuerprivilegien des Adels auf und verteilte die Staatslasten nach
Maßgabe des vorhandenen Grundbesitzes. Was er bei seinen bürger¬
lichen Reformen als Ideal unverrückt im Auge behielt, das war: er
wollte alle seine Erbstaaten von Belgien bis nach Siebenbürgen ohne
Rücksicht auf ihre Zusammensetzung und historischen Grundlagen zu
einem starken Einheitsstaat zusammenfassen, in welchem es keinen
Unterschied der Gesetze und Einrichtungen gebe und in welchem auch
allmählich der Gegensatz der Nationalitäten, Sitten und der Sprache
schwinde. Um die Verschmelzung der einzelnen ans verschiedenen
Kulturstufen stehenden Volksstämme anzubahnen, übertrug er ohne
weiteres die für Österreich geschaffenen Reformen auch auf Ungarn
und Belgien und ging im Eifer des Zentralifierens sogar soweit, daß
er an Stelle der bisher üblichen lateinischen Sprache die deutsche
als gemeinsame Amtssprache setzte, ohne deren Kenntnis niemand
Beamter oder Abgeordneter werden konnte.
6. Allein diese jähe Durchbrechung aller Tradition erzeugte, so cwofition in
gut sie auch gemeint war, die stärkste Erbitterung. Man fühlte sie Xtglen"
als einen unberechtigten Angriff anf die Nationalität und auf gewisse
Privilegien und forderte die Beseitigung aller Neuerungen. Ein Sturm
der Entrüstung ging durch die unter dem österreichischen Zepter ver¬
einigten Stämme. In Ungarn drohten Adel, Geistlichkeit und die
von denselben aufgestachelten Massen mit dem Abfall und in Belgien
kam es zur offenen Empörnng, welche nach Überwindung der kaiser¬
lichen Truppen in ihrem Verlaufe zur Losreißuug des Landes von
der österreichischen Dynastie führte (1790). Machtlos stand der Kaiser
solchen revolutionären Bewegungen gegenüber. Damit nicht noch
weiteres Unheil eintrete, nahm er 1790 die meisten seiner Reformen
zurück. Nur das Toleranzedikt und die über die Leibeigenschaft ge¬
troffenen Verfügungen blieben bestehen.
7. Mit tiefem Schmerze sah Joseph den Zusammenbruch seines Josephs Tod
Werkes, mit dessen Durchführung er in reinster Absicht seinen Unter¬
tanen nur Wohltaten erweisen wollte. Das Bewußtsein, „er habe
das Unglück gehabt, alle seine Entwürse scheitern zu sehen," knickte
seine Seele. „Der gefrönte Idealist" starb am 20. Februar 1790.
Das Volk atmete auf; später aber erkannte es den schweren Verlust.
Auf dem ehernen Standbild des Kaisers im Hose der Burg in Wien
befindet sich die Inschrift: „Joseph II., welcher für die Wohlfahrt des
Staates nicht lange lebte, aber ganz."