Object: Lehrbuch der Geschichte für realistische Mittelschulen

234 
Zeitalter des Absolutismus. 
Die französische Dichtkunst erlebte ihr sog. Klassisches Zeitalter: Corneille 
und Racine schrieben formvollendete Trauerspiele (Cid, Athalie), Moliere 
geistreiche Lustspiele (Der Eingebildete Kranke, Der Geizhals, Die Gelehrten 
Frauen u. a.), La Fontaine anmutige Fabeln und der als Prinzenerzieher 
bekannte Bischof Fenelon feinen Erziehungsroman „Telemach" (benannt 
nach dem sagenhaften Sohn des Odyfsens). Akademien für Künstler und 
Gelehrte wurden gegründet; Forschungsreisen, z.B. nach Cayenne, förderten 
die Kenntnis von der Erdgestalt (Polarabplattung). 
Diese unter den Strahlen der „Königssonne" sich entwickelnde 
Blüte des Landes überdauerte sogar die ersten zwei Raubkriege. Sie 
wurde erst geknickt durch den unzeitigen Bekehrungs- und Verfolgungs- 
eifer Ludwigs gegen die Hugenotten. 
A Kugenottenverfolgungen. Der Stolz des Königs konnte den Gedanken 
nicht ertragen, daß es in Frankreich Leute gab, deren religiöse Überzeugung 
von der seinigen abwich. Also hob Ludwig das Gnadenedikt von Nim es 
1685 und den noch gültigen Rest des Ediktes von Nantes auf und befahl allen 
Hugenotten, in den Schoß der katholischen Kirche zurückzukehren. Aber die 
Mehrzahl derselben blieb ihrem Glauben treu und suchte sich dem Zwang 
durch Auswanderung zu entziehen. Nun verbot man die letztere und wollte 
die Bekehrung durch die sog. Dragonaden erzwingen, d. h. man legte den 
halsstarrigen „Ketzern" Dragoner ins Quartier, die so lange verpflegt werden 
mußten, bis sich der Quartierherr „bekehrte". Darüber kam es, besonders- 
in den Cevennen, zu offenen Kämpfen, welrin auf beiden Seiten wohl. 
100000 Menschen zugrunde gingen. Doch gelang es nach und nach etwa 
500000 Calvinisten ins Ausland zu entkommen, wo sie in der Schweiz, in 
der Rheinpfalz, in den Gebieten der Markgrafen von Ansbach und Bayreuths 
in Brandenburg, Holland und England als Refncpes mit offenen Armen 
aufgenommen wurden. Weil Leute, die für ihre Überzeugung Leben und 
Freiheit aufs Spiel fetzen, immer ehrenwerte und feste Charaktere sind, f» 
gewannen die betreffenden Länder tüchtige Bewohner, die noch dazu ihre 
industrielle und kaufmännische Fertigkeit in die neue Heimat mitbrachten. 
Frankreich aber verlor nicht nur 1/2 Million trefflicher Bürger sondern auch 
an die 60 Millionen Bargeld, die als Vermögen der Hugenotten trotz des 
Verbotes heimlich ins Ausland wanderten. Dabei ist ganz abgesehen von 
dem gar nicht zu berechnenden Schaden, den das Emporblühen der Kon- 
kurrenz in den Nachbarstaaten der französischen Industrie und dem Handel, 
zufügte. 
Noch verhängnisvoller waren für Frankreich die fast ununter- 
brochenen Kriege, die Ludwig zur Befriedigung seiner Ruhmsucht und 
Ländergier mit den Nachbarn führte. Am meisten hatten darunter zrr 
leiden Spanien, das mit seinen Nebenländern (Franche-Comte, Belgien) 
an der französischen Nordost- und Südgrenze lag, und das unglückliche 
Deutsche Weich, das eben erst anfing, sich von dem Elend des Dreißig- 
jährigen Krieges einigermaßen zu erholen. Doch konnte diese Besserung 
nur sehr langsam vonstatten gehen, da unser Vaterland nicht bloß im.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.