Full text: Mittelalter (Theil 2)

— 95 — 
enthielt, denn in Folge dessen konnte er seine Kraft nngetheilt 
den deutschen Landen zuwenden, wo es so sehr nöthig war. Wie 
viel deutsche Kraft, deutsches Geld und kostbare Zeit war auf die 
Erwerbung und Erhaltung Italiens verwendet worden; wie viele 
und bedeutende Opfer an Gut und Blut hatte jenes Land ver¬ 
schlungen, und was war die Frucht aller der Anstrengungen? 
Rudolfs praktischer und klarer Sinn erkannte, daß Italien auch 
durch die größten Opfer nicht auf die Dauer dem deutschen Reiche 
erhalten werden könnte; er soll über diese Angelegenheit geäußert 
haben: „Ich sehe wohl die Fußtapfen derer, welche glücklich hinein¬ 
kamen, aber nicht derer, welche glücklich herauskamen." 
Man macht es Rudolf zum Vorwurf, daß er nicht, wie seine 
hohenstanfischen Vorgänger, Kunst und Wissenschaft, besonders die 
Poesie und den Gesang, so bevorzugend gepflegt und ihnen Heim¬ 
stätten an seinem Hofe errichtet habe; die fahrenden Sänger jener 
Zeit klagen darüber, daß sie ungeehrt und nnbeschenkt von den 
Höfen entlassen würden. Wohl ist das alles wahr und nicht zu 
leugnen; auch das mag mehr oder weniger der Fall gewesen sein, 
daß Rudolf persönlich keine Vorliebe für dergleichen Bestrebungen 
hegte; daß er aber unter den damaligen Verhältnissen besser that, 
sein Augenmerk zunächst auf Herstellung gesetzlicher Zustände in 
Deutschland zu richten, als Kunst uud Wissenschaft zu unterstützen, 
bedarf kaum eines Beweises. Und in Wirklichkeit hat er der 
Kunst und der Wissenschaft einen bedeutenden Dienst geleistet, 
indem er Ruhe und Ordnung im Reiche herstellte, denn ohne diese 
kann sich keine Kunst und keine Wissenschaft entwickeln und ent¬ 
falten. Daß Rudolf derartige Bestrebungen nicht so freigebig 
mit Geldspenden und Ehrenbezeugungen unterstützte und förderte, 
wie dies sein Vorgänger Friedrich Barbarossa gethan hat, daran 
mag auch wohl der Umstand schuld gewesen sein, daß seine Kasse 
in Folge der vielen Züge gegen Raubritter und beutelustige Wege¬ 
lagerer wohl nicht allzusehr an Ueberfluß gelitten hat. Rudolfs 
nüchterner, praktischer Sinn wandte sich zuerst auf das Nothwen¬ 
dige, dann erst auf das Nützliche und Angenehme, und das Reich 
war ihm gerade dafür hoch zu Dank verpflichtet. 
e. Rudolf's Persönlichkeit; sein Tod. Rudolfs Stamm¬ 
schloß, bte Habsburg oder Habichtsburg, lag an der Aar in dem 
heutigen Kanton Aargau; die Burg ist jetzt zerfallen, nur wenige 
Reste derselben sind noch vorhanden. Rudolf hatte seine Jugend 
an dem Hofe Friedrich II. verlebt und war schon 55 Jahre alt,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.