495
Fürstentochter als Gemahlin eines Herzogs nach Schlesien und mit ihr
deutsches Gesinde, deutsche Tracht und deutsches Wort in Lied und Gebet.
Wiederum wurden die schlesischen Fiirstenkinder in Klöster im deutschen
Reiche zur Ausbildung gegeben. Junge Adlige erhielten den Ritterschlag
nicht mit dem krummen slawischen, sondern mit dem geraden deutschen
Schwerte. Und wenn ein fahrender Spielmann die schlesischen Burgen
besuchte, da forderten die Burgbewohner von ihm deutsche Lieder. Ja
bald besang ein schlesischer Herzog (Heinrich IV.) in deutschen Versen die
bunte Heide, den „augerfrenenden Klee" und den grünen Wald. Aber
ebensosehr beförderte die Geistlichkeit die deutschen Sitten. Priester und
Mönche wanderten unablässig aus deni Westen in Schlesien ein, Aus
Pforta an der Saale kamen die Zisterzienser, die im Ackerbau geschickt
waren. Mitten in den dichten Wäldern wurde eine Lichtung für den
Feldbau geschaffen, und bald erhob sich hier ein schmuckes Kloster, um
das deutsche Dörfer und Pfarreien entstanden. In Leubus, Trebnitz,
Grüssau, Camenz, Heinrichau, Czarnowanz, Himmelwitz, Randen (in
Oberschlesien) klangen dem Wanderer jetzt die Klosterglocken entgegen, wo
früher nur das heisere Geschrei des Raben und das Geheul des Wolfes
die Stille unterbrochen hatten. Und wie ertragreich wurde das Land
unter den fleißigen deutschen Mönchen! Mit Verachtung sah nun der
Bauer auf den Radlo, den alten slawischen Haken, der die Erde nur
wenige Zentimeter tief aufgewühlt hatte. Denn er hatte von den Mönchen
den deutschen zweirädrigen Pflug kennen gelernt. So gut war derselbe,
daß ihn heute noch der schlesische Bauer gebraucht.
3. Wo Gelegenheit zu einem Markte war, da gab der Landesherr
auch die Erlaubnis zur Gründung einer deutschen Stadt. Hier waren
die Bürger frei, wählten sich selbst die Obrigkeit, trieben Handel und
Handwerk, erwarben aber auch Ackerland, Weide, Fischerei- und Jagd¬
recht. Deutsch waren die Städte, weil die Stadt Magdeburg gewöhnlich
das Vorbild war, nach dem sie eingerichtet wurden. Neiße, Neustadt,
Zülz, Ujest, Kreuzburg, Kosel, Oppeln, Groß-Strehlitz werden uns in
Oberschlesien als die ersten deutschen Städte genannt. Zahlreicher waren
dieselben in Nieder- und Mittelschlesien. Und wenn wir nach den
glänzendsten Namen der Fürsten und Fürstinnen fragen, die so viel dafür
getan haben, daß Schlesien wieder ein deutsches Land wurde, so steht
unter ihnen obenan der Name der heiligen Hedwig und der ihres Gemahls,
Heinrichs des Bärtigen. Der heiligen Hedwig verdankt das Kloster zu
Trebnitz seine Entstehung; hier hat sie ihr gottseliges Leben beschlossen
und auch ihr Grab gefunden. Und ihr tapfrer Gemahl hat für Schlesien
sogar das Land bis Krakau beansprucht und es so weit gebracht, daß
diese alte polnische Residenz damals eine deutsche Stadt wurde.
4. Freilich kamen auch wieder trübe Tage. Ein ruhiges Leben war
den Schlesiern nicht beschieden. Wie ein Keil lag ihr Land zwischen