58 XVI. Die makedonische und hellenistische Zeit.
sind deshalb längst zerfallen. Aus gleichem Grunde war das Schreib¬
material der Zerstörung ausgesetzt. Die „paradiesischen" Euphrat-
und Tigris-Ebenen standen von jeher im Rufe hoher Frucht¬
barkeit. Bewässerungsanlagen verteilten den Wasserreichtum der
Ströme weithin über das Land und steigerten die Ertragsfähigkeit
des Bodens. Um die Grenzen der Äcker festzustellen, übte man die
Landmessungskunst, die Geometrie. Die Abhängigkeit des Feldbaues
von den Äimmelserscheinungen führte auch die Babylonier zu astrono¬
mischen Beobachtungen. Nach den Zeichen des Tierkreises teilten sie
das Jahr in zwölf Monate, und den vermeintlichen sieben Planeten
weihten sie die sieben Wochentage, wie überhaupt die Sieben ihre
heilige Zahl war, die dann auch ins Alte Testament überging. Sie
glaubten aus dem Stand und Lauf der Sterne künftige Schicksale
vorherverkünden und Winke für das menschliche Sandeln daraus ab¬
lesen zu können: so entstand die Astrologie. Als Traumdeuter,
Zauberer und Gaukler zogen sie später zahlreich im römischen Reiche
umher. In ihrer Dichtung sind besonders bedeutungsvoll das Nimrod-
Epos und die Flutsage. — Die hohe Ergiebigkeit des Bodens weckte
rührigen Gewerbesleiß. Was an feinen Webereien und Färbereien,
besonders Teppichen, gefertigt wurde, das fand seinen Weg den
Euphrat und Tigris hinab ober zu den Karawanenstraßen des vorderen
Asiens. Vieles von ben babylonischen Sitten unb Anschauungen hat
Israel entlehnt, auch bie Griechen haben durch phönizische Über¬
mittelung manche babylonischen Kulturwerte übernommen.
Unter der Herrschaft der späteren Perserkönige wurden die Kanäle
vernachlässigt, und die Fruchtbarkeit verfiel. Aber schon die großen
Stromebenen an sich und die mannigfaltigen Ruinen einer großen
Vergangenheit erfüllten Alexander und feine Umgebung mit Erstaunen.
Unersättliche Ruhm-- und Eroberungsgier trieb den Macedonier-
fönig immer weiter ostwärts. Sein Ziel war das Goldland
Indien. Nach unsäglichen Strapazen langte er schließlich in dem
„Lande des Weihrauchs und der Elefanten" an. Vor der Phalanx
seiner Macedonier mußten die Inder weichen, unb so staub Alexanber
bald als Sieger mitten im Fünsstromlande. — Am weiteren Vor¬
dringen hinderte ihn jedoch die Unzufriedenheit seines Leeres. Er
mußte sich daher zur Umkehr entschließen. Zuvor aber soll er den
Befehl erteilt haben, an der Grenze feiner Eroberungen zwölf hohe
Altäre als Zeugen feines „Äerkulesruhmes" zu errichten.
Und nun folgte auf neuerbauter Flotte die Indusfahrt bis hinab
zum Indusdelta. Äier teilte Alexander fein Leer. Die Flotte fuhr
die Küste entlang in den persischen Meerbusen hinein, während er
selbst mit dem Äauptteile seines Leeres den Landweg in der Richtung