III. Der Inveftiturstreit.
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vermieden hätte: er mußte den Bann gegen den König aufheben
und damit sein kunstvoll geschlungenes politisches Gewebe selber zer¬
reißen. Die Fürsten ließen sich zwar trotz der Absolution von der
Erhebung eines Gegenkönigs* nicht abhalten, aber es war
dem Papste nicht möglich, für diesen einzutreten. Der Sturz Heinrichs
entsprach auch gar nicht seinen Absichten. Er suchte vielmehr eine
Stellung über den Parteien einzunehmen und als Oberhaupt der
Christenheit über das Recht der beiden Erwählten auf den Thron
zu entscheiden. Diese Laltung Gregors war den Fürsten keineswegs
genehm; man warf ihm vor, er habe seines apostolischen Eifers ver¬
gessen und sei stark von seiner früheren Gesinnung abgewichen.
In Deutschland tobte infolge der neuen Königswahl der Bürger¬
krieg; besonders Schwaben und Sachsen standen gegen den heim¬
gekehrten König in Waffen. Doch gelang es ihm, die Vereinigung
der Gegner zu hindern. Gregor entschied sich erst dann für den Gegen¬
könig, als Heinrich auf seine schiedsrichterlichen Ansprüche keineswegs
einging, und verkündete 1080 zum zweiten Male den Bann gegen
ihn; auch erneuerte er diesmal das Investiturverbot mit den schärfsten
Worten. Da zeigte es sich, daß die Reihen seiner Anhänger auch
unter den weltlichen Fürsten sich lichteten. Die deutschen Bischöfe
und ebenso die lombardischen standen größtenteils auf des Königs
Seite, und so kam es sogar zur Erwählung eines Gegenpapstes. Als
der Gegenkönig im Jahre 1080 im Kampfe den Tod fand, konnte
Äeinrich mit Äeeresmacht in Italien erscheinen; er führte seinen
Papst nach Rom und empfing von ihm die Kaiserkrone, während
Gregor nur durch die heranrückenden Normannen vor der Gefangen¬
nahme bewahrt wurde. Zn ihrem Schutze ist er im Jahre 1085
in Salerno gestorben. Wenn auch aus seinen letzten Worten:
„Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und die Gottlosigkeit gehaßt,
darum sterbe ich in der Verbannung," das bittere Gefühl spricht,
besiegt zu sein, so ist seine Wirksamkeit doch als die größte
Wendung in der Geschichte der römischen Bischöfe zu bezeichnen.
Er hat zwar die geistliche Gewalt nicht über die weltliche erheben
können, aber er hat der Unterordnung des Papsttums unter
das Kaisertum ein Ende gemacht und es diesem als eine
ebenbürtige Macht zur Seite gestellt. Was er erstrebt hatte, blieb
auch für die folgenden Jahrhunderte das Ziel des Papsttums
1 es den Fürsten hierbei mehr auf die Vermehrung ihrer Macht
als auf die kirchliche Freiheit ankam, zeigt die Tatsache, daß sie dem neu¬
gewählten König eine Reihe von Bedingungen machten; vor allem mußte er
auf die Erblichkeit der Krone verzichten. Wir haben es hier zum ersten Male
mit einer „Wahlkapitulation" zu tun.