Full text: Neuzeitliche Weltgeschichte der Weltmächte

die Kongokonferenz einberufen, welche dem britischen Länderhungec ge¬ 
wisse Zügel anlegte. Der englische Minister hielt es 1886 für ange¬ 
messen, im Parlamente eine freundlichere Haltung zu befürworten und 
sagte nicht ohne Heuchelei: „Ich begrüße Deutschlands Eintritt in die 
kolonialpolitische Tätigkeit und finde es erfreulich, wenn und daß es 
unser Genosse in der Verbreitung des Lichts und der Zivilisation in 
weniger zivilisierten Gegenden wird; bei diesem Werke soll es unsere 
herzlichsten Wünsche und jedwede mögliche Ermutigung finden." Trotz¬ 
dem war in Wirklichkeit England nur auf die Beeinträchtigung der 
deutschen Kolonialpolitik bedacht. Solange Bismarck das Reichsschiff 
lenkte, _ kam dies weniger zum Vorschein. Kaum aber war er durch 
Caprivi ersetzt worden, da suchte es den deutschen Vetter über den Löffel 
zu balbieren. Die Gelegenheit war günstig. Caprivi war kein Freund 
der Kolonien. Dazu war durch die Ausstände in Ostafrika, die der 
Sklavenhändler Bnschiri entflammt hatte, eine gewisse Kolonialmüdig¬ 
keit im -deutschen Volke entstanden. Man sah, daß Kolonien mitunter 
recht hohe Opfer an Gut und Blut erfordern können; man fürchtete 
auch die Feindschaft des feegewaltigen Englands. Infolgedessen konnte 
England bei den Verhandlungen über die Abgrenzung der beiderseitigen 
Gebiete in Ostafrika Deutschland gewaltig übervorteilen. Es erlangte 
im „Sansibarkontrakt" das Sultanat Witn mit Somaliland und 
Uganda, dazu Sansibar nebst Mombas und gewann dadurch ein aus¬ 
gedehntes, wertvolles Besitztum. Auch bei den übrigen Abgrenzungen 
in Kamerun und Neusaß (Südwest) wußte England ans Kosten Deutsch¬ 
lands seinen Vorteil zu wahren. Dies alles kostete den Briten nur 
Helgoland, das zwar für unsere Kriegsflotte eine hohe Bedeutung hat, 
aber nicht im entferntesten als ein vollwertiger Ersatz für jene Ver¬ 
zichtleistungen angesehen werden kann. 
Man hatte vielfach eine gewisse Dankbarkeit und Rücksichtnahme 
Deutschland gegenüber erwartet, doch die britische Politik war weit 
entfernt davon. Sie war und ist streng eigennützig und nur selbst¬ 
süchtig. Dies zeigte sich so recht in ihrem Verhalten zu den Buren¬ 
staaten, deren Selbständigkeit Deutschland gern erhalten hätte. Als 
Transvaal den Jamesonschen Einfall siegreich abgeschlagen hotte, be¬ 
glückwünschte der deutsche Kaiser den Präsidenten Krüger zu diesem 
Erfolge. Dies entfesselte einen Sturm der Entrüstung und des Hasses 
gegen unsern Kaiser, unser Volk, unser Reich. Seitdem predigte man 
offen den Vernichtungskrieg gegen Deutschland. Dies hat auch die 
beiden Flottengesetze von 1898 und 1900 wenigstens zum Teil ver¬ 
anlaßt und ermöglicht. In Deutschland mußte man in der Tat lange 
mit einem britischen Angriffe rechnen. 
Als Kitchetter 1898 die Derwische bei Omdnrman vernichtet und bett 
Sudan zurückerobert hatte, ba brahtete ber Kaiser: „Gorbou ist ge¬ 
rächt". Hiermit waren wieber einmal bessere Beziehungen zwischen
	        
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