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uns so lange gedient, daß wir ihm könnten das
Gnadenbrot geben.“ „Ei was!“ sprach der Mann,
„du bist nicht recht gescheit; er hat keinen Zahn mehr
im Maule, und kein Dieb fürchtet sich vor ihm; hat
er uns gedient, so hat er sein gutes Fressen dafür
bekommen; jetzt taugt er nicht mehr, und da kann
er abgehen.“
Der Hund, der nicht weit davon lag, hatte alles
mit angehört, erschrak und war traurig, daß morgen
sein letzter Tag sein sollte. Nun hatte er einen guten
Freund, das war der Wolf; zu dem ging er abends
hinaus in den Wald und erzählte, was für ein
Schicksal ihm bevorstehe. „Mach dir keine Sorgen,“
sprach der Wolf, „ich weiß einen guten Rat. Morgen,
ganz früh, geht dein Herr mit seiner Frau ins Heu,
und sie nehmen ihr kleines Kind mit, das legen sie
bei der Arbeit hinter die Hecke in den Schatten;
da leg dich daneben, gleich als wolltest du es bewachen.
Dann will ich aus dem Walde kommen und das Kind
rauben; du mußt mir nachspringen mit allen Kräften,
als wolltest du mir's abjagen. Ich laß es fallen,
und du bringst es wieder; dann glauben sie, du hättest
es gerettet, und sind dir viel zu dankbar, dir etwas
zu thun; im Gegenteil, du kommst in völlige Gnade,
und es wird dir an nichts fehlen.“
Der Anschlag gefiel dem Hunde, und wie er
ausgedacht war, so wurde er auch ausgeführt. Der
Bauer schrie, wie er den Wolf mit seinem Kinde
durchs Feld laufen sah; als es aber der alte Sultan
wieder zurückbrachte, da war er froh, streichelte ihn
und sprach: „Dir soll nichts Böses widerfahren; du
sollst das Gnadenbrot haben, so lange du lebst!“
Dann sagte er zu seiner Frau: „Geh gleich heim
und koch dem alten Sultan einen Milchbrei, den
braucht er nicht zu beißen; und mein Kopfkissen
schenke ich ihm auch zu seinem Lager.“ Von nun