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Beurteilung.
Was hat uns bei Kaiser Rudolf so wohl gefallen?
1. Da ist seine Sorge für Ordnung und Sicherheit im
Lande. Unermüdlich durchzieht er das Reich von einem Ende zum
andern und hält über die Frevler Gericht. Die Raubburgen werden
zerstört und die Raubritter hingerichtet. Nun kann der Landmann
frohen Mutes seinen Acker bestellen, denn er braucht nicht zu befürchten,
daß die Ernte seiner Felder die Beute begehrlicher Nachbarn werde.
Sorglos zieht nun der reichbeladene Wagen des Kaufherrn seine Straße,
denn von der Ritterburg lugen nicht mehr die Raubritter, und im
Waldesdickicht lauern nicht mehr die Speergesellen.
2. Da ist ferner Rudolfs fromme, religiöse Gesinnung.
Die höchste Ehrfurcht erweist er dem Erlöser und allem, was an ihn
erinnert. Demütig kniet er nieder und entblößt das Haupt, als die
heilige Hostie an ihm vorüber getragen wird Wohlwollend und dienst¬
fertig zeigt er sich gegen die Diener der Kirche. Er überläßt dem
Priester fein Roß und schenkt es der Kirche zu gottesdienstlichen Zwecken.
3. Uns gefällt auch feine Liebe zur Kunst. Aus feiner
Ritterburg kehrten die Sänger gern ein, denn sie wußten, daß sie dort
gastliche Aufnahme fanden. Kein Fest wurde gefeiert, ohne daß nicht
Gesang die Festfreude erhöht hätte.
4. Den Kaiser Rudolf zierte auch fein ritterlicher,
tapferer Sinn. Mit Mut und Entschlossenheit greift er in jener
Schlacht auf dem Marchfelde den König Ottokar an, obgleich er weiß,
daß dieser ihm an Macht weit überlegen ist. Mitten in das Gewühl
der Schlacht drängt er sich, und als er mit feinem fchwerverwundeten
Roß zu Bosen stürzt, da besteigt er mutig ein neues Pferd und führt
die Seinen von neuem zum Kampfe und zum Siege.
5. Uns gefällt endlich feine Einfachheit unb fein volks¬
tümlich es, gutmütiges Wesen. Ein einfaches, graues Wams war
feine gewöhnliche Tracht, und auch in Speise und Trank war er mäßig
und einfach. Aß er doch im Notfälle selbst Rüben vom Felde. — Wie
er selbst gewöhnliche Leute aus dem Volke besuchte, so war er auch für
jedermann zugänglich. In feinem Verhalten gegen die Bäckersfrau er¬
kennen wir Rudolfs gutmütiges, heiteres Wesen.
III. Association.
1. Die Zeit Rudolfs erinnert uns an die Zeit Heinrichs I. und
Ottos I.; denn in beiden Zeiträumen war das Eigentum der Bürger
und Bauern arg gefährdet, hier durch die Plünderungen der Raubritter,
dort durch die Einfälle der Ungarn. Aber hier wie dort vermag ein
deutscher Kaiser mit starker Hand die Frevler zu züchtigen: Rudolf zer¬
stört die Raubburgen und läßt die Raubritter hinrichten, Heinrich I.
und Otto I. schlagen die Ungarn in den Schlachten bei Merseburg und
auf dem Lechfelde.
2. Kaiser Rudolf hat die ganze Zeit feiner Regierung hindurch
feine Aufmerksamkeit nur auf Deutschland gerichtet, und wenn er auch
dem Papste eine Romfahrt und auch einen Kreuzzug versprochen hatte, so