Full text: Zeit der alten Deutschen bis zur Reformationszeit (Bd. 1)

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Diener und sprechen die Bitte aus, Wolfgang möge die Netze wieder 
wegnehmen von dem Herde und lieber Körner hinstreuen, sonst würden 
sie Wittenberg verlassen, und der Diener möge dann am Tage Frösche, 
Heuschrecken und Schnecken fangen, des Nachts aber Mäuse und schäd¬ 
liche Insekten. 
5. Am Abende versammelten sich oft auch die Haus¬ 
freunde um Luther. 
Erwartung: Da kommen Dr. Bugenhagen, Dr. Jonas, Dr. 
Crnziger, Spalatin, Schürf, Kranach, Walther, vor allen Dingen auch 
sein Herzensfreund Melanchthon. Sie laben sich an Speise und Trank, 
sie führen ernste Gespräche über den draußen tobenden Kampf, über die 
Verhandlungen der letzten Reichstage, über den Fortschritt der Refor¬ 
mation, über die Bibelübersetzung, die Katechismen und die Augsburger 
Konfession, dann stimmen sie auch mit ein in das Singen und Klingen 
der Familie. 
Bestätigung: Ihr habt recht. So verlebte Luther manchen 
Abend im Kreise seiner vertrauten Freunde. 
6. Gar oft empfing er auch Besuche aus der Ferne in 
seinem gastlichen Hause. Welches wird ihm wohl der liebste 
gewesen sein? 
Erwartung: Die Eltern aus Mansfeld besuchen ihn. Wie wird 
er sich freuen, den alten Vater, die alte Mutter noch einmal zu sehen! 
Sie müssen ihm erzählen, wie es ihnen gegangen, wie es den Ge¬ 
schwistern und Jugendfreunden geht. Er will sie gewiß in ihrem Alter 
ganz zu sich nach Wittenberg nehmen und sie bis zu ihrem Tode ver¬ 
sorgen. Und wie groß ist die Freude der Eltern! Nun sind alle ihre 
Wünsche ersüllt. Ihr Sohn ist der größte Mann des Jahrhunderts 
geworden. Sie sind die glücklichsten Eltern. 
Bestätigung: Als er sein Hochzeitsfest feierte, schrieb er anseine 
Eltern, es wäre ihm eine besondere Freude, wenn sie sich samt den 
Freunden aus Mansfeld „zu einer kleinen Freude in Wittenberg an¬ 
finden könnten". Und als sie kamen, wurde Lukas Kranach von der 
Bürgermeistergasse, geholt und er mußte die Eltern malen. Einige Jahre 
später schrieb er an den erkrankten Vater: „Große Freude sollte mir's 
sein, wo es möglich wäre, daß Ihr Euch samt der Mutter ließet hierher 
sühren zu uns. Ich hoffe, wir wollten Euer aufs beste warten. Ich 
wollt ja herzlich gern leiblich um Euch sein und nach dem vierten Ge¬ 
bote mit kindlicher Treue und Dienst mich gegen Gott und Euch dank¬ 
bar erzeigen." 
Tief bewegte ihn die Nachricht vom Tode seines Vaters. Zu der 
Zeit befand er sich gerade auf der Feste Koburg, wo sein Herz ja oft 
daheim bei den Seinen war. „Wohlan," sprach er, „mein Vater ist 
auch tot." „Flugs darauf" — so schreibt sein Gesellschafter an Luthers 
Frau — „nimmt er seinen Psalter, geht in die Kammer und weinet 
genug, daß ihm der Kopf des andern Tages ungeschickt war." Die
	        
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