Full text: Vaterländische Geschichte für den Schul- und Selbstunterricht

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und andere Dienstleute, und es wurde immer schwieriger, mit dem Auf¬ 
gebote der Adeligen und der Städte einen erfolgreichen Krieg zu führen. 
So blieb denn meistens nichts übrig, als Söldner anzuwerben, d. H. 
Soldaten, welche für einen bestimmten Lohn (Sold) und in der Aussicht 
auf reiche Beute einem jeden dienten; es war meist der Auswurf der 
Menschheit, bei dem von Ehrgefühl, das jeden echten Krieger beseelt, keine 
Rede sein konnte. Unsagbar waren Jammer, Elend und Schrecken, welche 
die Söldnerheere eines Ernst von Mansfeld, Christian von Brannschweig, 
Tilly und vor allem die eines Wallenstein über unser unglückliches Vater¬ 
land brachten. Auch das von Gustav Adolf herbeigeführte erste stehende 
Heer aus Landeskindern sank nach dessen Tode zur Kriegsbande herab, 
nicht weniger gefürchtet als die anderen Horden, so daß die bloße Kuude 
von dem Nahen der Schweden überall Grauen und Entsetzen verbreitete; 
das schreiende Kind wurde beruhigt durch der Mutter Wort: „Kinder, 
betet, der Schwede kommt!" Die Lager der Heere wimmelten von Sol¬ 
datenweibern, Markedenterinnen, Dirnen, Soldatenjungen:c., so daß eine 
solche Armee einem wandernden Volke glich, welches das Land, durch das 
es zog oder in welchem es lagerte, zur Wüste machte. Noch schlimmer 
als das eigentliche Kriegsheer waren die abgedankten Soldaten, welche 
nur aus Raub, Plünderung und Beutemachen ausgingen. Die schrecklichen 
Greuel, welche dieses räuberische Gesindel sowohl als auch die Söldner¬ 
heere in rohester Weise an den armen Bewohnern verübten, schildert ein 
Zeitgenosse des großen Krieges Namens Moscherosch mit folgenden Worten: 
„Man mordet aus Geuuß und zum Zeitvertreib, man sucht alle Arten 
schrecklicher und bis jetzt unerhörter Martern hervor, um das arme Volk 
zu quälen. Dem einen wurden beide Hände auf den Rücken gebunden 
und mit einer durchlöcherten Ahle ein Roßhaar durch die Zunge gezogen, 
welches dem Menschen solche Schmerzen verursacht, daß er oft den Tod 
geschrieen, aber um jeden Schrei vier Streiche mit der Karbatsche aus 
die Waden aushalten mußte. Einem andern wurde ein Seil mit vielen 
Knöpfen um die Stirn gebunden und mit einem Knebel hinten zu, über 
dem Nacken, zusammengedreht, daß ihm das helle Blut aus der Stirn, 
zu Mund und Nase, auch zu den Augen ausfloß, und der arme Mensch 
wie ein Besessener aussah. Mit Jammern sah ich da in einem nahe 
gelegenen Weiher, in welchem, weil das Wasser abgelassen und der Weiher 
trocken lag, vier Bauern, als Pferde an einen Pflug gespannt, zu Acker 
fahren, daß mir dann Herz und Augen übergingen aus Erbarmuug, weil 
ich sah, wie übel die elenden Leute ihr Leben erhalten mußten und doch 
noch so grausamlich um Geld gemartert wurden." Zu all diesen Greueln
	        
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