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legenheit am deutlichsten. Ein besonnener und tapferer Mann aus alt¬
berühmtem Geschlechte wurde zum Diktator erwählt, Quintns Fabins
Maximus. Er hat sich durch seiue Amtsführung den Beinamen
Cunetator, d. H. der Zögerer, erworben, denn sein fester Vorsatz war,
eine Schlacht mit dem sieggewohnten und genialen Pnnier zu vermeiden^
ihn dagegen durch Hin- und Herziehen an größeren Unternehmungen
zu verhindern und zu ermüden. Diesem Plane gemäß zog er immer
aus der Höhe der Apenninen hin, und Hannibal mußte ihm in der
Niederung durch Thäler und Schluchten folgen. Als der Karthager
einst von Apulien aus durch ein Querthal sich nach Campanien wenden
wollte, verlegte ihm Fabins den Weg, so daß er weder vorwärts noch
rückwärts konnte. Aber sein rastloser Geist erfand eine List. In der
Nacht ließ er einer Schar Ochsen Reisigbündel zwischen die Hörner
binden, diese anzünden und die Tiere einen Seitenabhang hinauftreiben.
Die Römer, welche glaubten, das punische Heer ziehe mit Fackeln ab,
eilten nach dieser Seite, um es aufzuhalten, und so konnte Hannibal,
trotz der Wachsamkeit der Feinde, entweichen. In Rom war man
nicht zufrieden mit der zögernden Kriegführung des Diktators, man
verlangte nach einer entscheidenden Schlacht, so daß sich Fabius
endlich gezwungen sah, den Oberbefehl mit seinem Reiteroberst
Minutius zn teilen. Dieser ging mit einem Teile des Heeres
sogleich Hannibal entgegen, erlitt aber eine solche Niederlage, daß er
vernichtet worden wäre, wenn Fabins ihm nicht den Rückzug gedeckt
hätte. Minutius sah jetzt die Weisheit der zögernden Kriegführung
des Diktators ein, allein sobald dessen Amtszeit abgelaufen war, brach
die Kriegslust der Römer von neuem hervor. Die Konsuln des Jahres
216, Terentius Varro und Ämilius Paullus, ersterer ein
Plebejer, letzterer ein Patrizier, wollten das Versäumte nachholen. Bei
Cannä, in der Ebene am Golf von Manfredonia, traten sie Hannibal
schlachtbereit entgegen und gaben diesem die erwünschte Gelegenheit,
seine ganze Feldherrngröße zu entfalten. Mit einem Blicke übersah
er die Ausstellung der feindlichen Heeresmassen, wies jeder seiner halb¬
wilden, verwegenen Scharen die rechte Stellung an — den spanischen
Reitern, dem gallischen Fußvolk, den Schleuderern von den balearischen
Inseln, den Libyern, den Numidiern, die ohne Sattel und Zaum auf
ihren leichten Pferden saßen — und während er selbst mit den Kern-
trnppen die römischen Legionen hart bedrängt, stürzt sich sein Bruder
Hasdrubal mit der Reiterei auf die dichtgedrängten feindlichen Massen.
Die Römer erliegen, eine zersprengte Legion sucht ihr Heil in der Flucht,
die andere wird umzingelt, wer sich nicht ergiebt, wird niedergehauen.
Auch der Konsul Ämilius Paullus findet den Tod im Schlacht-