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zu einem reinen Wandel im Anschanen Gottes und des Erlösers ganz
von selbst geführt hatte, trat äußere WerHeiligkeit, Reliquiendienst,
Anbetung der Märtyrer, eine hierarchische Rangordnung der Geistlich¬
keit, ein von Eitelkeit vielfach beeinflußtes Sichabwenden von der Welt,
das dann im Einsiedler- und Mönchswesen seinen Höhepunkt fand, und
ein spitzfindiges Grübeln über die Lehren der Kirche. So stritten sich
in Alexandria der Bischof Athanasius und der Priester Arins über
die Lehre von der göttlichen Natur Christi. Athanasius lehrte, daß
der So hu gleichen Wesens mit dem Vater und von Anfang an dagewesen,
Arius dagegen, daß der Sohn nur wesensähnlich mit dem Vater und
von diesem geschaffen fei. Das ökumenische Konzil zu Nieäa im Jahre
325 gab Athanasius recht und erklärte den Arianismus für Ketzerei.
Konstantin veränderte die römische Welt noch auf andere Weise.
Er verlegte die kaiserliche Residenz von Rom nach Byzanz, das fortan
Konstantinopel hieß. Einen günstigeren Ort konnte er nicht wählen,
denn diese Stadt liegt so recht im Mittelpunkte zwischen Europa,
Asien und Afrika. Erst durch die Übersiedlung dahin erloschen die
republikanischen Erinnerungen, welche bisher an ben kaiserlichen
Ämtern gehaftet hatten, ganz. Der Hofstaat des Kaisers wurde nun
orientalisch, die stufenweise Gliederung der Ämter und die Titu¬
laturen mit ihre» willkürlich gemachten Unterschieden von den Illustres
zu deu Spektabiles, Clarissimi, Perfeetifsimi, Egregii :c., die vorge¬
schriebene Tracht, das große Ceremonie! der Ehrenbezeigungen, alles
dies „Byzantinische" gab dem Hofe ein anderes Gepräge. Auch in
militärischer Beziehung traten wichtige Veräuderuugeu ein. Die Truppe
der Prätorianer wurde ganz aufgehoben, das Reich in vier Prä¬
fekturen geteilt: in Orient (Asien, Ägypten, Thrakien), Jllyrien
(Griechenland, Makedonien, Pannonien), Italien (mit Afrika) und
Gallien (mit Spanien und Britannien). Jede Präfektur hatte ihre
Verwaltung und ihre Heeresmacht, aber am Kaiserhofe liefen alle Fäden
der ungeheuren Staatsmaschine zusammen. Die römische Kultur war
nun schon längst auf ihrer höchsten Höhe angekommen. Handel unb
Gewerbe blühten, die Wissenschaften beherrschten ihre Gebiete, soweit
es damals möglich war, auch die Künste hatten sich zu derjenigen Voll¬
kommenheit der Technik emporgeschwungen, welche die Nachahmung der
griechischen Muster verlangte. Die Fülle des Reichtums und die
Mannigfaltigkeit der Produkte in dem großen Reiche forderten zum
Genuß auf, die Bequemlichkeit des Verkehrs wurde durch ausgezeichnet
angelegte Slraßeu und durch regelmäßige Posten, die von Ort zu Ort
eilten, vermittelt, Armen-, Kranken- und Waisenhäuser boten dem Elend
hilfreiche Unterstützung, das Christentum machte die Nächstenliebe