die ruhig gewordene Seele mit himmlischem Tau. Den: Auge, das unter
deinem Sonnenstrahle nie gen Himmel zu sehen wagte, enthiille ich, die
verhüllete Nacht, ein Heer unzähliger Sonnen, unzähliger Bilder, neue
Hoffnungen, neue Sterne."
Eben berührte der schwatzende Tag den Saum ihres Gewandes, und
schweigend und matt sank er selbst in ihren umhüllenden Schoß. Sie
aber saß in ihrem Sternenmantel, in ihrer Sternenkrone mit ewig ruhigem
Antlitz.
71. Weihnachtslied.
(Ernst Moritz Arndt)
Der heil'ge Christ ist kommen,
der süße Gottessohn,
des freun sich alle Frommen
am höchsten Himmelsthron;
auch was ans Erden ist,
nutß preisen hoch und loben
mit allen Engeln droben
den lieben heil'geu Christ.
Das Licht ist aufgegangen,
die lange Nacht ist hin,
die Sünde ist gefangen,
erlöset ist der Sinn,
die Sündenangst ist weg,
und Liebe und Entzücken
bau'n weite Himmelsbrücken
aus jedem schmälsten Steg.
Verwaiset sind die Kinder
nicht mehr und vaterlos,
Gott rufet selbst die Sünder¬
in seinen Gnadenschoß,
er will, daß alle rein
von ihren alten Schulden,
vertrauend seinen Hulden,
gehn in den Himmel ein.
Drum freuet euch und preiset,
ihr Kindlein fern und nah!
Der euch den Vater weiset,
der heil'ge Christ ist da;
er ruft so freundlich drein
mit süßen Liebesworten:
Geöffnet sind die Pforten,
ihr Kinder kommt herein!
72. Bethlehem und Golgatha.
(Friedrich Rückert.)
Er ist in Bethlehem geboren,
der uns das Leben hat gebracht,
und Golgatha hat er erkoren,
durchs Kreuz zu brechen Todes Macht.
Ich fuhr vom abendlichen Strande
hinaus, hindurch die Morgenlande,
und Größeres ich nirgend sah
als Bethlehem und Golgatha.
Wie sind die sieben Wunderwerke
der alten Welt dahingerafft,
wie ist der Trotz der ird'schen Stärke
erlegen vor der Himmelskraft!
Ich sah sie, wo ich mochte wallen,
in ihre Trümmer hingefallen
und stehn in stiller Gloria
nnr Bethlehem und Golgatha.