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4S. Die Sonne bringt es an den Tag. 
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er sie zum Himmel erhob, und wie jetzt dieselben Töne des Posthorns ihm 
das Geständnis abpreßten. 
Still, ohne laute Klage, nur mit leisem Weh im Herzen, hatte sich der 
Zug den Berg hinanbewegt, mit zitternder Seele, Thränen in den Augen, 
laut das Unheil beklagend, kehrten viele heim. Zwei Menschen waren auf 
ewig aus der Genossenschaft der Menschen geschieden. Auerbach. 
45. Aje Sonne hringt es an den Tag, 
1. Gemächlich in der Werkstatt saß 7. Da kam ein Jud' mir just in die Quer — 
zum Frühtrunk Meister Nikolas. 
Die junge Hausfrau schenkt' ihm ein, 
es war im heitern Sonnenschein. 
Die Sonne bringt es an den Tag! 
2. Die Sonne blinkt von der Schale Rand, 
malt zitternde Kringel an die Wand: 
und wie den Schein er ins Auge saßt, 
so spricht er für sich, indem er erblaßt: 
„Du bringst es doch nicht an den 
Tag!" 
3. „Wer nicht? Was nicht?" die Frau 
fragt gleich — 
„Was stierst du so an? was wirst du so 
bleich?" 
Und er darauf: „Sei still! nur füll; 
ich's doch nicht sagen kann noch will. 
Die Sonne bringt's nicht an den 
Tag!" 
4. Die Frau nur dringender forscht und 
fragt, 
mit Schmeicheln ihn und Hadern plagt, 
mit süßem und nüt bitterm Wort: 
sie fragt und plagt ihn fort und fort: 
„Was bringt die Sonne nicht an 
den Tag?" 
6. „Rein, nimmermehr!" — „Du sagst 
es mir noch!" 
„Ich sag'es nicht!" — „Du sagst es mir doch!" 
Da ward zuletzt er müd' und schwach 
und gab der Ungestümen nach. 
Die Sonne bringt es an den Tag! 
6. „Auf der Wanderschaft, 's sind zwan¬ 
zig Jahr', 
da traf es mich einst gar sonderbar; 
ich hatte nicht Geld, nicht Ranzen noch Schuh, 
war hungrig und durstig und zornig dazu. 
Die Sonne bringt's nicht an den Tag! 
ringsher war's still und menschenleer: 
Du hilfst mir, Hund, aus meiner Not; 
den Beutel her! sonst schlag' ich dich tot! 
Die Sonne bringt's nicht an den 
Tag! 
8. Und er: Vergieße nicht mein Blut! 
Acht Pfennige sind mein ganzes Gut! 
Ich glaubt' ihm nicht und fiel ihn an; 
er war ein alter, schwacher Mann — 
Die Sonne bringt's nicht an den 
Tag! - 
9. So rücklings lag er blutend da, 
sein brechendes Aug' in die Sonne sah; 
noch hob er zuckend die Hand empor; 
noch schrie er röchelnd mir ins Ohr: 
Die Sonne bringt es an den 
Tag! 
10. Ich macht' ihn schnell noch vollends 
stumm 
und kehrt' ihm die Taschen um und um: 
acht Psenn'gc, das war das ganze Geld! 
Ich scharrt' ihn ein auf selbigem Feld — 
Die Sonne bringt's nicht an den 
Tag! 
11. Dann zog ich weit und breit hinaus, 
kam hier ins Land, bin jetzt zu Haus. 
Du weißt nun meine Heimlichkeit, 
so halte den Mund und sei gescheit! — 
Die Sonne bringt's nicht an den 
Tag! — 
12. Wann aber sie so flimmernd scheint, 
ich merk' es wohl, ivas sie da meint, 
wie sie sich müht und sich erbost — 
du schau nicht hin und sei getrost! 
Sie bringt es doch nicht an den 
Tag."
	        
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