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steinert, als ich einen ungeheuren Löwen erblickte, der gerade aus mich
zukam und mich nicht undeutlich merken ließ, daß er gnädigst geruhen
wolle, meinen armen Leichnam zu seinem Frühstück zu machen, ohne sich
meine Einwilligung auszubitten. Meine Flinte war bloß mit Hasenschrot
geladen. Langes Besinnen erlaubte mir weder die Zeit, noch meine Ver¬
wirrung,- doch entschloß ich mich, aus die Bestie zu feuern, in der Hoff¬
nung, sie zu schrecken, vielleicht auch zu verwunden. Rlletn da ich in
der Rngst nicht einmal wartete, bis mir der Löwe zum Schusse kam, so
wurde er dadurch wütend gemacht und kam nun mit aller Heftigkeit aus
mich los. Mehr aus Instinkt als aus vernünftiger Überlegung versuchte
ich eine Unmöglichkeit — zu entfliehen. Ich kehre mich um, und — mir
läuft noch, sooft ich daran denke, ein kalter Schauer über den Leib —
wenige Schritte vor mir steht ein scheußliches Krokodil, das schon fürchter¬
lich seinen Bachen aussperrt, um mich zu verschlingen.
Stellen Sie sich, meine Herren, das Schreckliche meiner Lage vor!
hinter mir der Löwe, vor mir das Krokodil, zu meiner Linken ein
reißender Strom, zu meiner Rechten ein Rbgrund, in dem sich, wie ich
nachher hörte, die giftigsten Schlangen aushielten.
Betäubt stürze ich zu Boden. Jeder Gedanke, den meine Seele noch
vermochte, war die schreckliche Erwartung, jetzt die Zähne oder Klauen
des wütenden Raubtieres zu fühlen oder in dem Rachen des Krokodils
zu stecken. Doch in wenigen Sekunden höre ich einen starken, aber durch¬
aus fremden Laut. Ich wage endlich, meinen Kopf aufzuheben und mich
umzuschauen, und — was meinen Sie? — zu meiner unaussprechlichen
Freude finde ich, daß der Löwe in der Hitze, in der er auf mich los¬
schoß, in ebendem Rugenblicke, als ich niederstürzte, über mich weg in
den Rachen des Krokodils gesprungen war. Der Kops des einen steckte
nun in dem Schlunde des andern, und sie strebten mit aller Macht, sich
voneinander loszumachen. Gerade noch zur rechten Zeit sprang ich auf,
zog meinen Hirschfänger, und mit einem Streiche hieb ich den Kopf des
Löwen ab, so daß der Rumpf zu meinen Füßen zuckte. Daraus rannte
ich mit dem untern Ende meiner Flinte den Kops noch tiefer in den Rachen
des Krokodils, das nun jämmerlich ersticken mußte.
Bald nachdem ich diesen vollkommenen Sieg über zwei fürchterliche
Feinde erfochten hatte, kam mein Freund, um zu sehen, was die Ursache
meines Zurückbleibens wäre.
Rach gegenseitigen Glückwünschen maßen wir das Krokodil und fan¬
den es genau vierzig pariser Fuß, sieben Zoll lang.
Sobald wir dem Statthalter dieses außerordentliche Ubenteuer er¬
zählt hatten, schickte er einen Wagen mit einigen Leuten aus und ließ die
beiden Tiere nach seinem Hause holen. Rus dem Felle des Löwen mußte
mir ein dortiger Kürschner Tabaksbeutel verfertigen, von denen ich einige
meinen Bekannten auf Teylon verehrte. Mit den übrigen machte ich bei
unserer Rückkehr nach Holland Geschenke an die Bürgermeister, die mir