Full text: Geschichte des Altertums (1)

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und voll Grausens, weiter unten erst verlangsamte sich der Feuer- 
strom. Dann sah man, wie es von Zeit zu Zeit vor der dunkelglü¬ 
henden Zungenspitze des Ungeheuers hell aufflackerte: der Strom 
hatte ein Haus oder einen Weingarten erfaßt und verschlungen, wir 
sahen, wie er über Bosco Trecase hinwegflutete, und vor unserer 
Seele stand der ganze Jammer und die Verzweiflung der Menschen, 
die in wilder Flucht vor dem rasenden Feuerelemente all ihr arm¬ 
seliges hab und Gut der Vernichtung preisgeben mußten, ja, vielleicht 
in diesem Augenblicke mit einem furchtbaren Tode rangen, während 
wir, im sichern Schiff geborgen, dem schrecklichen Schauspiel tatenlos 
gegenüberstanden. Hlle Menschenkraft, alle Menschenintelligenz wären 
ja auch hier machtlos gewesen. Man konnte sich in die Zeit des Unter¬ 
gangs von Pompeji versetzen, wo auf den Uat des greisen plinius 
Tausende sich auf das Meer gerettet und so wie wir jetzt, doch un¬ 
endlich viel angstvoller die Blicke auf den tobenden Feuerberg ge¬ 
richtet hatten. 
Ganz ungeheure Mengen von Lava ergossen sich aus dem Berge. 
Bnderntags konnten wir feststellen, daß der Strom oben eine Breite 
von nahezu vier Kilometern hatte, während er sich weiter unten in 
vier kleinere Zungen teilte. 
Die Lava gab sehr große Mengen von wasserdampf und Bauch ab, 
in die sich alsbald die ganze Umgebung hüllte. Ls war deshalb bald 
überhaupt kein Standpunkt mehr zu finden, von wo aus man den 
Vesuv noch sehen konnte. Nur die wilde Bewegung der Wolkenmassen 
und ihr häufiges grellrotes Busleuchten zeigte uns, daß die Eruption 
noch mit ungeschwächter Kraft fortdauerte, wir aber fuhren nun 
nach Tapri zurück. 
In der Nacht zwischen 1 und 2 Uhr hatte die Gewalt der Bus- 
brüche sich zu einem Maximum erhoben. Man sah um diese Zeit 
von Tapri aus eine Explosion, die die glühenden Massen des Vulkans 
augenfällig viel höher hinaufschleuderte als alle vorangehenden. Nach 
dieser ober trat eine relative Buhe ein. Nur die Bauchwolke wirbelte 
zu ungeheuren höhen empor. Bm folgenden Sonntagmorgen maß ich 
ihre höhe zu 13 Kilometern." 
Die Eruptionen dauerten noch einige Tage fort, wenn auch mit 
beständig verminderter Kraft, und schon im Frühjahr 1907 scheint 
sich der Vulkan wieder auf die Solfatarentätigkeit beschränkt zu haben, 
in die er auch nach dem großen Busbruch von 1872 zurückverfiel. 
Meine eigenen Exkursionen in den folgenden Tagen und Wochen 
und die späteren eingehenden Untersuchungen vervollständigten nun 
noch wesentlich das vorhin gegebene Bild der gewaltigen Katastrophe.
	        
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