Full text: Geschichte des Altertums (1)

10 Die Inder. 
Vorschriften der Brahmanen unterwarf, mit denen sie Nahrung, 
Kleidung und alle Verrichtungen des täglichen Lebens genau bestimmten. 
Wer die Satzungen der Brahmauen mißachtete, dem drohten die 
Schrecken der Wiedergeburten oder der Seelenwanderung. 
Buddhismus. Gegen diesen Brahmanenglaubeu trat um 555 v. Chr. ein 
Reformator Namens Siddhartha auf, den seine Anhänger Buddha,') 
den Erleuchteten, nannten. Er verwars die drückende Kasteueinteiluug 
wie die übrigen Vorschriften des Brahmanenglaubens und predigte 
Erbarmen gegen Mensch und Tier. 
Die Lehre Buddhas sand ursprünglich in Indien die weiteste 
Verbreitung, ward aber hier in der Folge ausgerottet und gelangte 
nach Hinterindien, Tibet, den übrigen Teilen des chinesischen Reiches, 
nach Korea und Japan, wo sie bald entartete. 
Kultur der Die herrschende Stellung, welche die Brahmanen nach der Aus- 
Inder. rottung des Buddhismus in Vorderindien wieder einnahmen, be¬ 
haupteten sie um so leichter, als sie von jeher auch der eigentliche 
Gelehrtenstand der Juder, die Ratgeber der Fürfteu, Beisitzer im 
Gericht und Ärzte waren. In diesen mannigfachen Stellungen übten 
sie auch einen großen Einfluß auf die eigentümliche Gestaltung der 
indischen Kultur aus. Sie sind die Erfinder der indischen Schrift 
und derjenigen Ziffern, die unter dem Namen der „arabischen" auch 
von uns angenommen wurden, sie bildeten das indische Recht (im 
Gesetzbuche des Manu) und die indische Literatur in ihrem Sinne aus. 
Kuust. In allen Erscheinungen der indischen Kultur zeigt sich ein auf 
das Phantastische gerichteter Sinn, so in ihren Dichtungen (die 
Epen MahLbhLrata und Rkmahana) wie in der Baukunst ^) 
(Felsen- oder Grottentempel von Karli und Ellora und auf 
den Inseln Salsette und Elesanta au der Westküste, Pagoden, 
freistehende, von Gebäuden, Höfen und Hallen umgebene hochragende 
Tempel, die aus vielen, immer kleiner werdenden Stockwerken be¬ 
stehen, deren Spitze in einer Kuppel endigt, z. B. in Benares und 
auf der Südspitze Indiens) und Bildhauerei (vielgliedrige Götter¬ 
bilder). Das Schauspiel gelaugte erst nach der Einführung des 
Buddhismus zur Blüte; der größte indische Dramatiker ist Kali dasa 
(im 6. Jahrhundert n. Chr.), sein unsterbliches Hauptwerk ist Sakün- 
tala. Viele unserer Fabeln und Märchen gehen aus indischen 
Ursprung zurück. — In der Musik kannten die Inder wie auch die 
Chinesen zuerst nur eine Tonleiter von fünf Tönen, die später noch 
um zwei ganze und um halbe und Vierteltöne vermehrt wurden. 
Ihre religiöse Tonkunst ist sehr weich und sanft. Beim Musizieren 
benutzen sie außer der menschlichen Stimme verschiedene Streich-, 
Blas- und Schlaginstrumente (Gong). Rauschend und lärmend ist 
*) Lies „L’Hironclelle du Bouddha“ par Frangois Coppee. 
2) Sieh Langl, Bilder zur Geschichte Nr. 7: „Ellora", Nr. 9: „Elefauta".
	        
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