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eine Jagd anstellte. Selbst die stärksten Läufer unter der Mann¬
schaft und die Hunde ließ er weit hinter sich zurück; die wilden
Ziegen holte er ein und brachte sie in vollen Sprüngen von den
Bergen auf den Schultern herab. Seine Fußsohlen waren so hart
geworden, daß kein Boden ihm Beschwerden machte, und als er
wieder Schuhe trug, ihm die Füße anfangs schwollen.
Hirschfeld.
7. vor Baum des deutschen Volkes.
1. Weil die Bäume gewissermaßen eine Persönlichkeit
haben und dadurch den Menschen verwandt sind, so mag sich
der sinnige Zug bei fast allen Völkern erklären, einen be¬
stimmten Baum als Wahrzeichen zu erwählen, in welchem sie
das Spiegelbild ihrer Eigenart erkennen, und zu dem sie in
Zeiten der Erniedrigung aufschauen, um sich wieder zu er¬
heben. So blickt mit Stolz der Morgenländer auf seine herr¬
lichen Palmen. Der Inder verehrt den heiligen Feigenbaum,
der Perser die Cypresse. Die Gesänge der Hellenen waren
voll vom Preis des Olbaumes. Der slavische Volksstamm hat
die Weide auserkoren. Und auch der Deutsche hat seinen
Volksbaum:
In den frischen Eichenhainen
Webt und rauscht der deutsche Gott!
So singt der für alles Vaterländische hochbegeisterte Dichter,
und wie er’s meint, so meint man’s allerorten. Wenn Lieder¬
tafeln oder Turnvereine eine festliche Ausfahrt unternehmen,
so muss es eben in einen Eichwald sein, und der vaterländische
Sinn verlangt, dass zu einer rechten deutschen Stimmung vor
allem Eichenlaub an Hut und Mütze gehöre. Die Eiche, heisst
es, ist ein echt deutscher Baum, unter dem unsere Väter schon
ihre Götter ehrten, und als Sinnbild knorriger deutscher Kraft
sei sie von der Vorsehung gerade auf deutschen Grund und
Boden gesetzt. So ist’s von Kindheit auf uns vorgesungen,
und wir haben es auf Treu und Glauben angenommen.
Aber die Eiche ist durchaus kein ausschliesslich deutscher
Baum. Sie ist fast über die ganze nördliche Erdhälfte ver¬
breitet. Besonders in Frankreich, England, Kleinasien findet