Full text: Neuere Geschichte von 1648 - 1888 (Teil 3)

16 Die Neuzeit. 
5. Friedrich Wilhelm bis 1685. Der Kurfürst war über die 
Haltung des Kaisers, der keinen neuen „König der Vandalen an der 
Ostsee" aufkommen lassen wollte, so erbittert, daß er seine bisherige 
Reichspolitik aufgab und, um nicht völlig vereinsamt zu bleiben, noch 
in demselben Jahre mit Frankreich ein 1679 zur „Engeren Allianz" 
gestaltetes Verteidigungsbündnis vereinbarte. In seiner kaiserfeindlichen 
Haltung bestärkte ihn die Wahrnehmung, daß Leopold I. nicht dahin zu 
bringen war, ihm die durch das Aussterben des Herzogsstammes 1675 
erledigten schlesischen Gebiete von Liegnitz, Brieg und Wohlan trotz 
des Erbvertrags von 1537 einzuräumen. Ebensowenig gab er das 
Fürstentum Jägerndors heraus, welches Ferdinand II. dem Hohenzoller 
Johann Georg, einem Anhänger des „Winterkönigs", 1620 entrissen 
- - hatte. Friedrich Wilhelm nahm französische Subsidim an und entzog 
sich bis 1686 grollend jeder Teilnahme an einer gegen Frankreich 
gerichteten Reichspolitik. 
6. Der Verlust Straßburgs 1681. Im Vollgefühl seiner Macht, 
die soeben wider einen starken Kriegsbund den günstigen Nymweger 
Frieden durchgesetzt hatte, und gedeckt durch den Vertrag mit Branden¬ 
burg, dachte Ludwig XIV. auf neue Erwerbungen. Zu diesem Zwecke 
setzte er 1680 zu Metz, Breisach und Besan^on die sogenannten 
„Reunionskammern" ein, Behörden, welche untersuchen sollten, 
welche Besitztümer einst zu den Bistümern Metz, Toul und Verdun 
und der Landgrafschaft Elsaß gehört hätten, und ließ diese dann als 
nach göttlichem Recht zu Frankreich gehörig mitten im Frieden besetzen. 
Während die kaiserlichen Bevollmächtigten und die Abgesandten der 
Reichsstände, welche zusammengekommen waren, um gegen diese Gewalt¬ 
maßregeln Beschwerde zu führen, mehrere Monate mit Streitigkeiten 
über Rang- und Titelfragen verbrachten, erschien der Franzosenkönig 
vor Straßburg, wo eine vom Stadtschreiber Günzer geführte Partei 
und der in französischem Solde stehende Bischof Franz Egon von 
Fürstenberg für ihn wirkten,und zwang es znrÜbergabe(30. Sept. 1681). 
Der deutsch gesinnte Ammeister (d. i. Bürgermeister) Dominikus 
Dietrich wurde nach Frankreich geschleppt. Das Münster, welches 
bisher den Protestanten gehört hatte, wurde dem verräterischen Bischof 
überantwortet, der Ludwig XIV. mit dem Gruße Simeons bewillkomm¬ 
nete: „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, wie du 
gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen!" (Ev. 
Luc. 2,29—30.) Zu einer der stärksten Festungen Frankreichs um¬ 
geschaffen, war seitdem Straßburg fast zwei Jahrhunderte hindurch die 
Ausfallspforte der Welschen und nahezu eine Zwingburg Süddeutschland 
gegenüber. Der Kaiser hätte gern zum Schwert gegriffen, um dem 
Reiche das Verlorene wiederzuverschaffen; aber von den Türken bedroht
	        
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