Full text: Bilder aus der Kirchengeschichte

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Solches Treiben fand indessen nicht die Billigung des Oheims und 
Vormunds des Grafen, vielmehr hielt derselbe es für seine Pflicht, der 
schwärmerischen Neigung seines Mündels Schranken zu setzen. Er nahm 
ihn deshalb 1716 von Halle weg und schickte ihn nach Wittenberg, 
um auf der dortigen Universität die Rechtswissenschaft zu studtren. Das 
war nun freilich ganz gegen Zinzendorf's Neigung, aber er fügte sich dem 
Willen seiner Verwandten; denn er hielt dafür: „Ehre Vater und 
Mutter, das ist das erste Gebot, das Verheißung hat" (Ephef. 6, 2). 
Daher war er auch sofort bereit, als die Seinen ihn 3 Jahre später zu 
seiner weiteren Ausbildung auf Reisen schickten, obgleich alle die Sehens¬ 
würdigkeiten, welche gewöhnlich das Ziel Der Reiselustigen sind, für ihn 
keinen Reiz hatten. Dahingegen machte ein Chnstusbilv mit der Unter¬ 
schrift: „Das that ich für dich, was thust du für nnch!" einen unver¬ 
geßlichen Eindruck auf ihn. 
Im Jahre 1722 erwarb Zinzendorf von seiner Großmutter das 
Gut Berthelsdorf und verheiratete sich bald daraus mit einer Gräfin 
von Reuß, welche ihm nachmals stets treu und hülfreich zur Seite 
stand. 
2. Wir wenden uns nun der Hauptthätigkeit des seltenen Mannes, 
seinem Wirken für und in Der Brüdergemeinde, zu. In einem früheren Ab¬ 
schnitte haben wir bereits Der „böhmischen und mährischen Brüder" gedacht, 
wie sie aus den Anhängern des Johann Huß hervorgegangen und in der „Brü¬ 
dergemeinde" noch jetzt fortbestehen. Inzwischen aber hatten sie die grau¬ 
samsten Verfolgungen von Seiten der Katholischen zu erdulden gehabt 
und um das Jahr 1700 war es so weit gekommen, Laß sie so ziemlich 
aller ihrer Gotteshäuser und Prediger beraubt waren und nur noch im 
Verborgenen Gott Dienen konnten in Der Weise ihrer Väter. Ihre Zahl 
hatte sich von Jahr zu Jahr verringert; aber Die Wenigen, Die noch 
übrig geblieben, nahmen es mit dem Christenthume noch ebenso ernst, 
wie einst ihre Väter, von welchen ein evangelischer Geistlicher sagte (1559): 
„Es stnD Leute in Böhmen, Die man Brüder nennt. Unter denselben 
sind alle Gelage, Tänze, Karten- und Würfelspiele verboten; die Ueber* 
tretet aber, nachdem sie ein- und andermal vergeblich gewarnt sind, werden 
aus der Gemeinde gestoßen und nicht eher wieder ausgenommen als bis 
sie öffentlich Zeichen ihrer Buße gegeben haben. An Werktagen ist kein 
Müssiggänger unter ihnen; am Sonntag aber kommen sie zusammen, sich 
auS Gottes Wort unter einander zu erbauen. Viele unter ihnen sind 
in der heiligen Schrift erfahrener als manche unserer Priester. ES sind 
besondere Krankenwärter bestellt, welche lebten, trösten und bedienen." — 
Endlich kam für die Brüder eine bessere Zeit. Ein gewisser Christian 
David, ein Zimmermann ans Mähren, welcher die Bekanntschaft deS 
Grafen Zinzendorf gemacht hatte, führte 1722 eine kleine Schaar feiner 
Genossen mit Weib und Kind nach BerthelSdors. Sie erhielten die Er¬ 
laubniß, sich dort anzusiedeln und an dem sogen. Hutberge die nöthigen
	        
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