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V. Die Anion und einige Sekten der evangelischen Kirche.
1. Die Union, Die Kirche der Jetztzeit zerfällt in zwei große
Abtheilungen: in die katholische und in die evangelische. Beide
theilen sich wieder in zwei Hälften: die katholische in die griechisch-
katholische und römisch -kathlische, die evangelische in die lutherische
und resormirt e. Zwischen den Bekennern der griechisch-katholischen und
denen der römisch-katholischen Kirche stehen die „unirten Griechen"
welche sich zwar strenge an die Lehre der griechischen Kirche halten, aber
den Papst als Oberherrn der Kirche anerkennen. Zwischen den Luthe¬
ranern und Reformirten ist ebenfalls eine Union (Vereinigung) zu
Staude gekommen und zwar in der unirten Kirche.
Die Lutheraner unb Reformirten unterscheiden sich in der Lehre
von dem Abendmahl und in der Lehre von der Gnadenwahl, stehen
aber übrigens beide auf dem gemeinsamen Boden des reinen, lautern
Gotteswortes. Daher ist es natürlich, daß sie zu verschiedenen Zeiten
den Versuch gemacht haben, sich einander zu nähern und auch äußerlich
zu einer kirchlichen Gemeinschaft zu verbinden. Wir wissen aus einem
früheren Abschnitt, daß schon die Reformatoren zusammentraten, um eine
Ausgleichung der Unterschiede beider Kirchen herbeizuführen. Damals
scheiterte zwar dieser Versuch, aber der Gedanke an eine Vereinigung
war einmal angeregt und das Verlangen darnach trat von Zeit zu Zeit
immer wieder hervor, besonders stark zu Anfang unsers Jahrhunderts.
ES war nach der Zeit des allgemeinen Abfalls während der französischen
Revolution und der darauf folgenden Napoleonischen Gewaltherrschaft
wieder neues Leben in der Gott entfremdeten Christenheit erwacht.
Das gemeinsame Ringen mit den Unterdrückern hatte den Völkern
ihr politisches Dasein wiedergegeben und alle Herzen, ohne Unterschied
des Bekenntnisses, füblten sich in dem Gedanken vereinigt: Der Herr
hat große Dinge an unS gethan! Die drei Monarchen von Preußen,
Oesterreich nnd Rußland reichten sich, obgleich sie drei verschiedenen Kirchen
angehörten, die Hand zu dem Bunde, der den Zweck hatte, den allge¬
mein christlichen Glanben wieder zur Herrschaft zu bringen, und auch
durch die Völker ging ein Streben nach religiöser Gemeinschaft. Diesem
Streben verdankt die Union ihre Entstehung.
Schon am 18. Juli 1798 batte König Friedrich Wilhelm HI. den
Wunsch ausgesprochen, „daß beideConsessionen (Bekenntnisse) der blei¬
benden Verschiedenheiten ungeachtet durch eine gemeinsame Agende*)
einander näher gebracht werden mochten." Bei Gelegenheit der 300-
*) Agende nennt man das Buch, welches die kirchlichen Vorschriften über die bei
den gottesdienstlichen und sonstigen kirchlichen Amtshandlungen des Geistlichen zu
beobachtende äußere Form (Ritus) und die bei denselben in Anwendung zu brin¬
genden Anreden, Gebete, Lollecten, SegenSformeln » s. w. enthält.