Full text: Charakterbilder für den biblischen Geschichtsunterricht

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vollbrachten Erlösung eine dauernde Gemeinschaft mit Gott, jenen 
Zustand der Kindschaft gewonnen hat, in welcher das Kind des Ge¬ 
setzes, der Furcht und äußerer Zuchtmittel ein Kind der Liebe Gottes, 
des freudigen Gehorsams, hervorgehend aus dem Drange des gött¬ 
lichen, von Selbstsucht und Sinnlichkeit freien Lebens, geworden ist. 
Jene pharisäische Tugend und Werkheiligkeit, welche durchs Gesetz 
vor Gott gerecht werden wollte, konnte den Geist des Menschen nicht 
von den Banden der Selbstsucht und Sinnlichkeit befreien; sie nährte 
den Stolz und Trieb nach äußerm Ansehen, nach äußerer Macht und 
Herrlichkeit, und ermangelte, auf das Vorrecht der Abstammung von 
Abraham und auf die Vorzüge einer theokratischen Geschichte pochend, 
ebensowohl der wahrhaften Gottesliebe als der wahrhaften, d. H. die 
Schranken der Nationalität und äußerer Lebensverhältnisse durchbrechen¬ 
den Menschenliebe. Die sich rühmten, »Abrahams Kinder« zu sein, 
rühmten sich doch nur einer Geburt »nach dem Fleisch«; jene Kraft 
des Glaubens, wodurch die Erzväter so erhabene Vorbilder geworden, 
jener Lebenstrieb eines gotterfüllten Gemüts, der den Grund gelegt 
hatte zum mosaischen Gesetze, konnten auch durch das strengste Leben 
nach den Satzungen Mosis, nicht gewonnen werden, und selbst da, 
wo in den Propheten ein gottgeweihtes Glaubensleben lebendig 
ward, konnte dieses doch nicht die Kluft aufheben, die den Menschen 
von Gott trennte; es waren auch bei den heiligsten Männern des 
Alten Bundes immer nur Momente der Begeisterung, keineswegs Ge¬ 
burten eines neuen, von dem alten specisisch verschiedenen Lebens, wie 
dasselbe allein durch die gottmenschliche Persönlichkeit des Erlösers 
gewonnen werden konnte. Nicht mit eigener Kraft, nicht mit natür¬ 
lichen bloß menschlichen Mitteln, auch nicht mit dem strengsten Ge¬ 
horsam gegen den Buchstaben des Gesetzes, sondern allein durch die 
Gnade Gottes, welcher den Erlöser in die Welt sandte, auf daß alle, 
die an ihn glauben, das ewige Leben gewinnen, war die neue Geburt 
möglich. Es ist allerdings eine freie That von seiten des Menschen, 
es ist sein eigener Entschluß und Wille, der ihn treibt, die Gnade Gottes 
in Christo Jesu zu ergreifen; aber diese freudige Hingabe an den 
Erlöser ist die Freiheit der Liebe, des von dem Objekt Gebundenseins, 
des in dem andern sich findenden und sich habenden Subjekts, das seine 
Lebenskraft nur in dieser Hingabe an den Zug nach oben findet. So¬ 
bald dieses Band der Liebe geknüpft ist. erstirbt das alte Ich mit 
feiner Selbstsucht, und ein neues göttliches Ich tritt an dessen Stelle;
	        
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