Full text: Charakterbilder für den biblischen Geschichtsunterricht

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als selbst der Erzvater Jakob. Doch vorläufig wollte das Weib mit 
leichter Beweglichkeit nur das Eingehen auf den tiefern, geistigen Sinn 
der Worte des Fremden vermeiden, obwohl sie eben dadurch dem 
Herrn Gelegenheit gab, ihr noch bestimmter den Sinn seiner Worte 
zu erklären und das Verlangen nach dem rechten Lebenswasser zu er¬ 
wecken. Das irdische Wasser löscht den Durst nur auf kurze Zeit, 
und alle irdische Lust, menschliche Klugheit und Ehre, wovon hier 
das Erdenwasser ein Bild ist, kann nicht die tiefere Sehnsucht des 
Herzens stillen; dos himmlische Wasser aber, die Wahrheit und das 
Leben, das mitgeteilt wird durch Jesum Christum, befriedigt das tiefste 
Verlangen des Menschen, es wird ein Quell der Seligkeit, die schon 
in diesem Erdenleben beginnt, aber in immer steigender Fülle hinein¬ 
wächst in das ewige Leben. Wie aber schon am Erdenwasser das 
Labende und Erquickende nur von dem empfunden wird, der wahr¬ 
haft durstig ist, so wird auch der selige Genuß jenes Himmelswassers 
nur dem zu teil, welcher danach dürstet. »Selig sind, die da hungert 
und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden!« Das 
samaritische Weib kannte noch nicht diesen geistigen Durst; sie war 
noch zu sehr in fleischlicher Lust befangen, darum verlangte sie nach 
so ausgezeichnetem irdischen Wasser, um des unaufhörlichen mühsamen 
Schöpfens überhoben zu sein. 
Da gab der göttliche Meister mit bewundernswertem Takt dem Ge¬ 
spräche schnell eine andere Richtung, um auf einem andern Wege das 
Gemüt der Frau für ein höheres Leben empfänglich zu machen; dem 
Glauben an das Heil muß die Erkenntnis des Unheils und der Sünde 
vorangehen. Jesus hatte erkannt, daß diese Samariterin noch nicht 
reif sei für das höhere Leben; er wandte sich von ihr ab, indem er 
sagte: »Geh und hole deinen Mann, komm mit diesem wieder, daun 
wollen wir weiter von der Sache reden!« Ihm war es nicht bloß 
um diese einzelne Person zu thun, sondern er wollte durch sie die 
Bewohner der samaritischen Hauptstadt auf den erschienenen Heiland 
aufmerksam machen und für denselben gewinnen. Und doch behandelte 
seine erlösende Liebe niemals den Einzelnen wie ein bloßes Mittel 
zum Zweck, und seine Geduld ermüdete nie auch an dem wider¬ 
strebenden Sünder. So gab Jesus in dieser plötzlichen Wendung des 
Gespräches der Frau zugleich einen mächtigen Eindruck von ihrer Ver¬ 
derbtheit, wie von seinem tief durchschauenden Blick, der in das Innerste 
des Herzens drang und damit ihr unwiderleglich bewies, daß ein 
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