Full text: Die mittlere Zeit (2)

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das Sommerfest wurde nach Johannes dem Täufer, das Herbstsest nach 
dem Erzengel Michael benannt; das Julfest wurde zum Weihnachtsfeste. 
Noch viele andere Spuren des alten Glaubens haben sich in der Be¬ 
zeichnung der Wochentage (z. B. Donnerstag = Donarstag), in der 
Heldensage (Brunhild, Alberich), in Sagen (der wilde Jäger, Frau 
Holle), in Märchen (Dornröschen, Schwanjungfrauen), in sprachlichen 
Denkmälern (Muspilli, Merseburger Heilssprüche), in Sitten (Johannis¬ 
feuer, Julklapp), Aberglauben (Wünschelrute, Wassernixen), Kinderspiel 
(Ostereier, Maientanz) erhalten. Diese Überreste zeigen einen so genauen 
Zusammenhang mit der nordischen Götterlehre, daß unbedenklich ange¬ 
nommen werden kann, es habe kein wesentlicher Unterschied zwischen 
beiden bestanden. 
§. 32. In Deutschland nannte man die höchste Gottheit 
W not an (Odin), das allmächtige, alldurchdringende Wesen. 
Er ist nicht bloß der weltlenkende, weise, kunsterfahrene Gott, 
er ist auch Ordner der Kriege und Schlachten, der Siegverleiher. 
Aus seiner himmlischen Wohnung schaut er durch ein Fenster 
zur Erde nieder. Er war der gewaltige Schöpfer und Bildner 
jeglichen Guts. — Die im Kampfe gefallenen Helden nimmt der 
siegverleihende Gott in seine himmlische Wohnung auf. — In 
vielen Namen lebt sein Andenken noch fort: der Wodansberg 
(Godesberg) bei Bonn, bei Geismar (in Hessen). 
Die Anbetung dieses Gottes war allen deutschen Stämmen 
gemein. — Ihm war der Mittwoch (= Wednesday) heilig. 
Ihm zur Seite steht Donar (Thor), der über Regen und 
Wolken gebietet, sich durch Wetterstrahl und Donner ankündigt, 
dessen Keil durch die Lüste fährt und auf der Erde einschlägt. 
Er thront auf Bergen. (Daher die Donnersberge in der 
Rheinpfalz und anderen Gegenden). Er ist rotbärtig und, 
wenn er zürnt, bläst er itt seinen langen Bart (Bartrns), und 
Donner schallt durch die Wolken. Dann fährt er auf seinem 
Wagen, der mit Ziegenböcken bespannt ist, einher und schleudert 
keilförmige Steine (Donnerkeile) vom Himmel herab. 
Aber er war auch der Gott des Regens und sendete der 
Erde das befruchtende Naß; daher er auch Gott der Landleute 
und des Ackerbaues wurde. Mit seinem zerschmetternden 
Hammer, der nach jedem Wurfe wieder von felbst in seine 
Hand zurückkehrte, räumte er die Riesen (d. i. die Felsen), die 
dem Ackerbau hinderlich waren, aus.dem Wege. — Ihm war 
der Donnerstag heilig. 
Ein anderer Sohn Wuotans ist Ziu (Tyr), der wilde
	        
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