Full text: Vaterländisches (1, [Schülerband])

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Wir nehmen sie ldie kaiserliche Würde] an in der Hoffnung, daß dem deuntschen 
Volke vergönnt sein wird, den Eohn seiner heißen und opfermütigen Kämpfe in 
dauerndem Frieden und innerhalb der Grenzen zu genießen, welche dem Vaterlande 
die seit Jahrhunderten entbehrte Sicherung gegen erneute Angriffe Frankreichs ge⸗ 
währen. Ans aber und unsern Nachfolgern an der Kaiserkrone wolle Gott verleihen, 
allzeit Mehrer des deutschen Reiches zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, 
sondern an den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohl⸗ 
fahrt, Freiheit und Gesittung.“) 
* 
„Die unzerstörbare Einheit von Fürst und Volk, deren hervorragende Be— 
thätigung den jetzigen wie alle großen Momente unserer ruhmreichen Geschichte kenn⸗ 
zeichnet, wird auch in der neuen Epoche, welche mit dem Friedensschluß eröffnet ist, 
aͤlle Anterschiede und Gegensätze in der Liebe zu dem gemeinsamen Vaterlande und in 
der Bethätigung des historischen Berufes Preußens in Deutschland versöhnen und 
nutzbar machen.“?) 
37. Die Kaiserproklamation zu Versailles. 
Der deutsch-französische Krieg war zu Ende. Nie war ein Feldzug ruhm— 
reicher verlaufen als dieser siebenmonatige. Sechzehn Schlachten hatte das 
deulsche Heer gewonnen, sechsundzwanzig Fesungen erobert. 11 800 Offiziere und 
371 o Mann waren zu Gefangenen gemacht, 7.400 Geschütze und 107 Aler 
und Fahnen erbeutet worden. Wie Moltke mit dem Schwerte, so hatte dann 
Bismaͤrck mit der Feder über Erwarten viel erreicht: einen Landerwerb, an Um— 
fang zwar mäßig, aber unendlich wertvoll durch geschichtliche Erinnerung und 
weil er die deutfche Grenze sicherte, daneben eine Kriegssteuer, groß genug, um nicht 
ur den Schaden, den Deutschland in diesem Kriege an seiner Habe erlitten, 
sondern auch die Kosten zu decken, welche jetzt durch seine Umwandlung aus einem 
eren Staatenbund in einen gesicherten Bundesstaat entstanden. 
Denn auch der herrlichste Preis, den das deutsche Volk von diesem Kriege 
verlangt hatte, war ihm zugefallen; es war geeint worden zum deutschen 
Kaiferreich. Noch während die Kanonen donnerten, im Hauptquartier des 
preußischen Königs zu Versailles hatte der Kanzler des norddeutschen Bundes 
it den! Bevollmachtigten der deutschen Südstagten die Verträge geschlossen, durch 
welche alle deutschen Staaten unter Führung Preußens zu einem einzigen Reiche 
Herbunden wurden. Zuerst (am 15. November) unterzeichneten Baden und Hessen, 
dann (am 23. November) Baiern, welches sich jedoch einige Sonderrechte aus— 
bedang, zuletzt am 26. November) Württemberg. 
Der deutsche Kaisertitel stand noch aus. Wilhelm J. für seine Person 
legte auf denselben wenig Wert; denn eine Machtvermehrung brachte er dem 
Koöͤnige von Preußen nicht. Aber eine große Partei um ihn vertrat eifrig diesen 
Wunsch der Nation, und er ließ sie gewähren. Am 3. Dezember ersuchte der 
Balernkbnig Ludwig II. im Namen der deutschen Fürsten den König von Preußen, 
die Rechte, die er uͤber Deutschland empfangen, unter dem Titel eines »deutschen 
) Aus dem Erlaß »An das deutsche Volke vom 18. Februar 1871. 
2) Aus einem Erlaß vom 19. September 1866. — Vergl. Ludwig Hahn: »Kaiser Wilhelms 
Gedenlbuch.« Berlin, 1874. S. 233.
	        
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