104 47. Das Haus des Augustus.
den Tierhetzen, wenn gerade keine Verbrecher mehr da waren, Zuschauer ergreifen
und den Bestien vorwerfen. Um den Haß des Volkes kümmerte er sich nicht;
„mögen sie mich hassen", sprach er, „wenn sie mich nur fürchten (oderint dum
metuant)!" Einmal wünschte er, das ganze römische Volk möchte nur einen Kopf
haben, damit er ihn mit einem Streiche abschlagen könne. Sich selber erklärte er
bald für diesen, bald für jenen Gott; sein Lieblingspferd wollte er einst zum Konsul
machen. Da zuletzt keiner in seiner Umgebung mehr seines Lebens sicher war, bildete
sich in seinem Palaste eine Verschwörung, und zwei Hauptleute ermordeten ihn.
3. Claudius (41—54) war ein Schwächling, welcher Weiber und Frei¬
gelassene für sich regieren ließ und allen ihren Schändlichkeiten seine Genehmigung
erteilte.
4. Nero (54—68). Im Jahre 54 n. Chr. bestieg der 17 jährige
Nero den römischen Thron. Er hatte den Philosophen Seneca zum
Lehrer gehabt, und solange er sich noch von demselben leiten ließ, regierte
er ohne Tadel. Nach fünf Jahren aber warf er die Maske der Tugend ab
und übertraf nun noch feine Vorgänger an Grausamkeit, so daß noch
heute der bloße Klang feines Namens die Vorstellung eines blutdürstigen
Ungeheuers in uns wachruft. Er ließ sogar feine eigene Mutter um¬
bringen; feine Gemahlin tötete er durch Fußtritte; feinem Lehrer Seneca
gestattete er, sich selbst den Tod zu geben, worauf derselbe sich samt seiner
Gattin die Pulsadern öffnete.
5. Brand Roms; erste Christenverfolgung. Neros größte Greuel¬
that aber war, daß er die Stadt Rom anzünden ließ, teils, um sich
an dem großartigen Schauspiele zu ergötzen, teils, um eine prächtigere
Hauptstadt wiederzubekommen. Seine Mordbrenner durchliefen die
Straßen mit Brandfackeln, zündeten die Häuser an und hinderten die
Leute am Löschen. Während der Brand, welcher eine Woche dauerte, am
heftigsten war, soll Nero ans der Zinne seines Palastes gestanden und
zur Leier den Untergang Trojas besungen haben. Als er aber merkte,
wie die Wut des Volkes sich gegen ihn richtete, schob er tenslischerweise
die Schuld auf die in Rom lebenden Christen und stellte, um den Grimm
der Menge abzulenken, eine grausame Verfolgung derselben an. Dies
war die erste der zehn Christenverfolgungen, welche man zu zählen pflegt.
Ein Teil der Unglücklichen wurde enthauptet oder gekreuzigt, ein Teil in
Felle wilder Tiere genäht und den Hunden zum Zerfleischen vorgeworfen;
noch andere wurden in langen Reihen in den kaiserlichen Gärten an Pfahle
gebunden, mit Pech übergössen und angezündet, um bei den nächtlichen
Rennspielen als Fackeln zu dienen. Auch die Apostel Petrus und
Paulus wurden von dieser Verfolgung hinweggerafft (67); der erstere
wurde gekreuzigt, der letztere als römischer Bürger mit dem Schwerte
hingerichtet. — Hierauf ließ Nero die Stadt aufs schönste wieder aus¬
bauen. Sein Palast nahm mit den dazu gehörigen Gärten, Bädern,
Lusthäusern, Seen und Wildbahnen allein einen ganzen Stadtteil ein.
Wegen der unsinnigen Pracht seiner Ausstattung wurde er das goldene
Haus genannt. Das Geld dazu wurde hauptsächlich in den Provinzen
erpreßt. Seine Steuerbeamten sandte Nero gewöhnlich mit den Worten
aus: „Ihr wißt, was ich brauche; sorgt dafür, daß niemand etwas übrig
behalte."