230 105. Der Reichstag zu Worms.
eine Antwort geben, bie Weber Hörner noch Zähne haben soll, nämlich
also: Es sei benn, baß ich mit Zeugnissen ber heiligen Schrift
ober mit klaren unb hellen Grünben überwunben werbe, so
kann nnb will ich nicht wiberrnfen, weil es Weber sicher noch
geraten ist, etwas gegen bas Gewissen zu thun. Hier stehe ich;
ich kann nicht anbers; Gott helfe mir! Amen." Das waren
herrliche Worte bes glaubensmutigen Mannes, unb manchem ber Herren
mag bas Herz geklopft haben unter betn vornehmen Gewanbe. Luther
warb hinausgeführt; als er sein Zimmer in ber Herberge betrat, breitete
er beibe Arme ans, unb ans ber übervollen Brust rang sich ber jubelnbe
Rus: „Ich bin hinburch, ich bin hinburch!"
Sehr hatte sich Kurfürst Friebrich ber Weife über Luthers mutiges
Auftreten gefreut; auch ber Kaiser, obgleich im Herzen unbewegt, gestanb:
„Dieser Mönch rebet unerschrocken unb mit getrostem Mute." Herzog
Erich von Braunschweig ließ ihm eine silberne Kanne mit Einbecker Bier
überreichen, baß er sich bnrch einen Trunk labe. Da sprach Luther:
„Sowie heute ber Herzog Erich meiner gebacht hat, so gebenke ber Herr
Christus seiner in seinem letzten Stünblein!" Diese Worte sollen ben
wackern Herzog noch aus seinem Sterbebette erquickt haben. — Währenb
ber nächsten Tage suchten noch mehrere Fürsten bnrch gütliches Zureben
Luther zum Nachgeben zu bewegen, vergebens. Enblich forberte einer
ihn auf, selbst ein Mittel zu nennen, wie alles wieber zurechtgebracht
werben könne. Luther antwortete: „Ich weiß keinen anbetn Rat als
ben Gamaliels: Ist bas Werk aus ben Menschen, so wirb es untergehen;
ist es aber aus Gott, so könnet ihr es nicht bämpsen."
3. Geächtet. Gern hätten es nun viele von Luthers Feinben ge¬
sehen, wenn ber Kaiser bie Zusage bes freien Geleits gebrochen unb Luther
bnrch Hinrichtung beseitigt hätte. Aber Karl V. antwortete auf solche
Einflüsterungen: „Wenn auch in ber ganzen Welt keine Treue mehr zu
finben wäre, so muß sie boch beim beutfchen Kaiser fein. Ich will nicht
erröten wie Sigismnnb." Daneben erklärte er jeboch, er fei fest ent¬
schlossen, alle seine Reiche, ja selbst bas Leben baranzusetzen, baß bas gott¬
lose Unternehmen bieses Mönches gehemmt werbe. So ließ er zwar
Luther unter sicherem Geleit abreisen, sprach aber vier Wochen später bie
Reichs acht über ihn unb alle seine Anhänger aus. Niemanb — so hieß
es in ber kaiserlichen Verorbnung — solle biesen gottlosen Ketzer, ber
ein Teufel in Menschengestalt fei, Herbergen ober speisen, fonbent wer
ihn finbe, solle ihn fangen unb zur Bestrafung ausliefern.
4. Auf der Wartburg (1521—22). Schon war inbes ber Ge¬
bannte unb Geächtete in Sicherheit. Denn als Luther bnrch ben Thüringer
Walb fuhr, um nach Wittenberg zurückzukehren, überfielen plötzlich mehrere
verkappte Ritter ben Wagen, rissen Luther heraus unb jagten mit ihm
bnrch ben Walb, bis sie aus allerlei Umwegen bie Wartburg (bei
Eisenach) errreichten. Alles bieses geschah auf Anorbnung bes Kurfürsten
Friebrich bes Weifen, um Luther eine Weile ben Nachstellungen seiner
Feinbe zu entziehen. Alle Welt meinte nun, Luther fei tot. Es ging
ihm aber auf ber Wartburg ganz wohl. Daß er Luther war, wußte nur