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brach ein furchtbares Unwetter aus. Vom heftigen Regen wurde
der Boden schlüpfrig, und der Sturm warf mächtige Baumstämme
in den Weg. Die Römer waren bald so ermattet, daß sie kaum
mehr weiter konnten. Da erscholl plötzlich das Kriegsgeschrei der
Deutschen, die, in den Wäldern und Schluchten verborgen, das
römische Heer erwartet hatten. Als die vordersten Truppen der
Römer in den Kampf verwickelt waren, griff Hermann sie auch
im Rücken und auf der Seite an. Zwei Tage nnd zwei Nächte
leisteten die Römer Widerstand. Am dritten Tage wurden sie
von allen Seiten umringt und bis auf den letzten Mann nieder¬
gehauen. Varns stürzte sich verzweifelnd in sein Schwert. So
wurde im Jahre 9 nach Christi Geburt Deutschland von der
Herrschaft der Römer befreit, und Hermann wurde als Befreier
und Retter gepriesen. Als die Nachricht von der Niederlage nach
Rom kam, stieß der Kaiser Augustus aus Zorn und Schmerz den
Kopf an die Wand und rief: „Varus, gieb mir meine Legionen
wieder!"
Um für die Niederlage des Varns Rache zu nehmen, schickte
der römische Kaiser den Germanikus, Sohn des Drusus, mit
einem Heere von mehr als sechzigtausend Mann nach Deutschland.
Germanikus besiegte die Katten, die zwischen der Eder und der
Werra wohnten. Hermann eilte von Stamm zu Stamm, um seine
Volksgenossen zum Kampfe gegen die Römer anzufeuern. Allein
sogar unter den Cheruskern befanden sich Verräter. Segest, der
einst den Varus gewarnt hatte, fiel von seinem Vaterlande ab
und lieferte seine eigene Tochter Thusnelda, die mit Hermann
vermählt war, in die Hände der Feinde. Germanikus drang noch
einmal in das Land der Cherusker ein und kam an den Ort, wo
die Legionen des Varus 6 Jahre zuvor vernichtet worden waren.
Er ließ die Gebeine der Gefallenen sammeln und bestatten. Es
wurden mehrere Schlachten geschlagen; in den meisten blieb der
Sieg den Deutschen. In der letzten großen Schlacht an der Weser
behaupteten die Römer das Schlachtfeld Allein sie mußten gleich¬
wohl bald über den Rhein zurück, und das nördliche Deutschland
blieb forthin frei von der römischen Herrschaft.
Hermann blieb in großem Ansehen bei seinem Volke, bis er
in seinem siebenunddreißigsten Lebensjahre von einem feiner Ver¬
wandten aus Neid erschlagen wurde.
III. Von der Völkerwanderung
1. Die Wanderzüge der deutschen Völkerschaften.
Im zweiten und dritten Jahrhundert nach Christi Geburt
bildeten sich in Deutschland große Völkerbünde. Die wichtigsten