58 Der Rhein und seine Ufer vom Bodensee bis Mainz.
das Westende des Wallenstädter Sees, ähnlich wie die Lütschine bei Jnter-
laken-Bödeli in den Brienzer See. Von Osten her, ans dem Sar-
ganser Lande, empfängt der See einen andern Zufluß, die Seez, welche
aus dem Weißtannenthale, in ihrem obern Laufe der Tamina parallel,
hervorbricht. Wir sind hier wiederum dem Rheiue, gerade gegenüber dem
Südende des Fürstenthums Liechtenstein, sehr nahe gerückt; und nicht blos
die räumliche Nähe macht uns diesen Punkt merkwürdig, sondern mehr
noch der geringe Niveauunterschied, der zwischen Mels an der Seez und
Sargans im Rheinthal nur 53/4 m beträgt. Würden die Gewässer des
Rheines heute um 6^/4 m steigen, so würden sie den Abflnß durch deu
Wallenstädter und Züricher See nehmen, wie sie ihn wahrscheinlich einmal
gehabt haben, ehe sich jene niedrige Schwelle zwischen Sargans und dem
Wallenstädter See aus der Tiefe hob. Der See selbst ist erust uud ge-
waltig eingesenkt zwischen dem Zuger Berg und Galmenberg im Süden
und den sieben Kurfirsten im Norden. Von Tnnnel zu Tunnel bohrt sich
die Eiseubahu au seinem Südufer durch den Fels, überraschende Ausblicke
auf die tiesgrüne Fläche und die riesige Masse der Kurfirsten gewährend.
Bis zum Jahre 1805 versumpften die prächtigen Bergwaffer der Seez und
Liuth bei ihrem Austritt aus dem See, und diese Gegend, das Gaster-
land zwischen Wesen und Uznach, war eine Oede voll saurer Wiesen.
5 bis 6 Stunden dehnte es sich so von See bis See, mit geringem Niveau-
unterschiede zwischen beiden. Da unternahm ein Züricher Patrizier aus
der Familie Escher das Werk, welches seinem Namen ein dankbares An-
denken bei Tausenden gesichert hat. Ein Kanal von 16,5 km Länge wurde
angelegt und durch die Entwässerung des Sumpfgeländes eine Fläche
von 7000 ha für die Kultur gewonnen. 1822 war das Unternehmen
vollendet. Die republikanische Schweiz ehrte diesen Gemeinsinn und adelte
den Führer des Baues uud seine Nachkommen unter dem Namen Escher von
der Liuth. Der Fluß tritt iu den Züricher See und durchzieht deu guir-
landenartig geschwungenen Bogen desselben, vorbei an Rapperswyl, wo
eine lange Brücke auf das linke Seeufer hinüberführt, vorbei an der Insel
Ufnan mit Ulrich von Hntten's Grab, bis zn Zwingli's altehrwürdiger
Kirche, dem Frauenmünster von Zürich, wo er deu See verläßt. Noch
strömt er so schnell, daß er vielen Fabriken seine Kraft mittheilt; bald
gleitet er ruhiger durch das Hügelgelände der Nordschweiz und trägt schon
ansehnliche Nachen. Unmittelbar bei Zürich fließt ihm links vom Albis
herab die Sihl zu, die einst an ihrem Ufer die Niederlage der österreichisch
gesinnten Züricher und auf ihrer Brücke den Fall ihres gewaltigen Bürger-
meisters sah, des Rudolf Stüffi (Schlacht bei St. Jakob an der Sihl 1443).
Bei Baden, dem altberühmten Kurorte, stellt sich ihr der Lägerberg entgegen,
der einst ihren Thalkessel schloß, bis sie ihn durchbrach uud nun uach
kurzem Lauf beim Weiler Vogelsang zur Aare müudet, nur einen Kilometer
unterhalb der Reußmüudung.
Vereinigt strömen die großen schweizer Ströme in rein nördlicher
Richtung durch ein fruchtbares Wiesenthal zum Rhein, den sie unterhalb