Full text: Bis zum Interregnum (Teil 1)

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erlangten sie durch Krieg oder Vertrag eine neue Heimat, so 
verteilten sie die Flur und ballten ihre Hütten. Dann lockten sie 
nicht selten ihre Stammesgenossen aus der alten Heimat nach, 
zum mindesten blieben sie mit ihnen in enger Verbindung. Zu¬ 
weilen lösten sich ans der neuen Heimat später neue Auswanderer¬ 
scharen ab, und so zerfiel dann nicht selten ein Volk in drei und 
mehr Teile, die in verschiedenen Gebieten heimisch waren. So 
trat in der Wanderzeit eine große Zersplitterung der Völker eiu, 
die in ihre Geschichte vielfache Verwirrung gebracht hat, zumal 
die Auswanderer im neuert Lande zuweilen einen andern Namen 
annahmen. 
Nicht immer aber führte der Wanderzug zu einem glücklichen 
Ende. Gar manche Scharen wurden durch den Widerstand, den 
sie fanden, aufgerieben, und ganze Stämme find daher unter¬ 
gegangen. Übrig gebliebene Haufen irrten dann als Flüchtlinge 
umher, bis sie ein anderes Volk fanden, das sie aufnahm und 
mit dem sie verschmolzen. 
Seit dem Jahre 400 nahmen die Wanderungen einen anderen 
Charakter an. Nicht nur der Überschuß eines Volkes war es 
mehr, der Ackerland und eine neue Heimat suchte, sondern ganze 
Völker brachen aus ihren Wohnsitzen auf, und ihre Wanderungen 
waren Eroberungszüge. Die Überzeugung von der Schwäche 
des römischen Reichs weckte die Lust, die Herrschaft auszubreiten 
und Beute zu erlaugeu. Dabei machten sie sich zu Herreu der 
römischen Gebiete, wobei freilich ihre eigene Kraft rafch zerfiel. 
Solche Eroberungsfahrten waren namentlich die Züge der Ost- 
germanen. 
d) Liebe zur Heimat. Bei aller Wanderlust fehlte unsern 
Vorfahren doch nicht die Liebe zur Heimat. Mit ihrem Gehöft, 
mit ihren Herden, mit ihren Fluren und ihrem Wald waren sie 
auss innigste verwachsen. Dort fühlten sie das Wirken ihrer 
heimischen Götter. Wenn daher der Überschuß der Bevölkerung 
zur Auswanderung gezwungen war, so sicherten sich die Fort¬ 
ziehenden das Anrecht ans den heimischen Boden, damit sie jeder¬ 
zeit zurückkehren könnten. Von den Wandalen war ein Teil in 
Schlesien zurückgeblieben. Als sie erfuhren, daß die Ausgewan¬ 
derten Afrika erobert hätten, hielten sie diese für versorgt, suchten 
aber doch in aller Form das ausschließliche Eigentumsrecht am 
heimischen Boden zu erwerben, schickten deshalb eine Gesandtschaft 
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