14. Armin, der Befreier Deutschlands. 107
darauf und sprach zu dem Heere stolze Worte voll des
bittersten Hohnes über die geschändeten Feldzeichen der frechen
Unterdrücker. Das ganze tote Heer befahl er unbestattet liegen
zu lassen. Den Kopf des Varus sandte er an Marbod; es
sollte ihm ein mahnendes Zeichen sein, sich der Sache der
Freiheit anzuschließen. Aber der Markomannenkönig war kein
Armin; er verharrte in seiner Unthätigkeit und selbstsüchtigen
Vereinzelung und übersandte das Haupt den Hinterlassenen
des Varus zur Bestattung. An den Gefangenen nahmen die
Sieger furchtbare Rache, indem sie sie den Göttern zum
Opfer teils schlachteten, teils aufhängten. Am grimmigsten
wüteten sie gegen die römischen Liktoren, die mit ihrem Beile
die freien Germanen hingerichtet, mit ihren Ruten die Rücken
derselben schmählich geschlagen hatten, und gegen die römischen
Rechtsanwälte, die das gute heimische Recht der Deutschen
verhöhnt und römische Kniffe und Psiffe in Deutschland ein¬
geschmuggelt hatten. Einigen wurden die Augen ausgestochen,
andern die Hände abgehauen. Einem wurde sogar die Zunge
ausgeschnitten, und ein Germane, der gewiß durch erlittenes
Unrecht besonders verbittert war, nahm sie in die Hände und
sprach mit furchtbarem Hohn: „Endlich hast du doch aufgehört
zu zischen, du Schlange!"
Zerschmetternd war der Eindruck, den die Kunde von der
Niederlage des Varus in Rom hervorrief, wo man sich eben an¬
schickte, herrliche Feste zur Feier der pannonischen Siege zu be¬
gehen. Der alte Kaiser Augustus zerriß in fassungslosem Schmerz
sein Gewand und rief wiederholt die Worte aus: „Varus, Varus,
gieb mir meine Legionen wieder!" Monatelang schor er Haupt¬
haar und Bart nicht. Es war aber nicht nur der Jammer
über den Untergang eines herrlichen Heeres, der alle ergriff,
sondern auch Angst und Schrecken. In der ersten Bestürzung
fürchtete man nämlich, die siegreichen Germanen würden sich
nun gemeinsam erheben und, wie zu den Zeiten der Kimbern,
gegen Italien selbst anrücken. Sogar in Rom selbst fühlte
man sich nicht sicher. Der Kaiser ließ seine germanische
Leibwache und alle in der Stadt weilenden Germanen nach
verschiedenen Inseln abführen. Den Göttern wurden große