8. Vom Glauben und Götterdienst der alten Deutschen. 45
ernsten und würdigen Auffassung über Götter- und Menschen¬
schicksal, über Tod und Leben und das Ende aller Dinge
gelangt, wie das germanische.
Wir lassen die seltsam dunkle Sage von der Welt¬
schöpfung hier beiseite und berichten zunächst, wie unsre Bor¬
fahren sich den vollendeten Weltbau gestaltet dachten. Die
Mitte des Weltbaues — so glaubten sie — nimmt die runde
Erdscheibe ein, die Heimat der Menschen, daher Mannaheim
genannt. Außerhalb der bewohnbaren Erde, an den äußersten
Grenzen des Meeres hausen die Riesen in Riesenheim. Jen-
seit der See im eisigen Norden liegt Nibelheim, d. h. Nebel¬
heim, ein schauriges kaltes Schattenland, von finstern Wäldern
umgürtet, bedeckt von düstern Nebeln. Hier ist der Sitz der
Totengöttin Hella. Am entgegengesetzten Ende der Welt
glüht im Süden Muspelheim, die Welt der Flammen, ge¬
hütet von dem Rauchriesen, der der „Schwarze" heißt und ein
leuchtendes Schwert in der Hand trägt. Von hier aus er¬
hebt sich einst der furchtbare Brand, der der ganzen Welt
den Untergang bringt. Unter der Erde liegen hie und da
weit ausgebreitete, liebliche Auen, und einzelne Götter wohnen
dort. Die meisten Götter aber und die vornehmsten hausen
hoch oben über der Erde in der Mitte des gewölbten
Himmels, der Asenheim oder Asgart genannt wird, weil die
Mehrzahl der Götter dem Geschlecht der Äsen, d. h. der
Großen angehört. Regenbogen und Milchstraße sind die
Wege, die dahin führen. Hier haben alle Hauptgötter ihre
besondere Hallen. Die herrlichste von allen aber ist die
Wodans, Walhall, wohin die in der Schlacht Gefallenen
oder an Wunden Gestorbenen durch die Walküren, d. h.
Totenwählerinnen getragen werden. Diese Halle ist von
ungeheurer Ausdehnung und glänzt über und über von
Golde. Die Decke ist so hoch, daß kein Auge sie genau
zu erblicken vermag, die Thore so weit, daß durch jedes
achthundert Helden nebeneinander einschreiten können. Hier
nämlich erfreuen sich die seligen Helden, Einherier genannt, auf
langen Bänken sitzend an Wodans Tischen des Mahles, während
göttliche Sänger zum Klang der Harfe ihre Thaten singen.