Full text: Die deutsche Geschichte in ihren wesentlichen Grundzügen und in einem übersichtlichen Zusammenhang

Kap. 18. § 91—92. Ludwig der Deutsche und seine Söhne. 99 
wagten sich sogar nach England und gründeten dort eine Herrschaft, die freilich von 
Alfred dem Großen gestürzt (891), aber nachher unter Wilhelm dem Eroberer 
wieder ausgerichtet wurde, der durch Die Schlacht bei Hastings (1066) dem Reich der 
Angelsachsen ein Ende machte. Normannen legten auch in Rußland unter dem Wa¬ 
räger Rurik von Norwegen aus den Grund zum russischen Reiche (862), dessen 
Hauptstadt Kiew am Dnieper wurde. Ueber das Normannenreich in Unteritalien 
s. § 101. So haben die Normannen, den Germanen der Völkerwanderung vergleich¬ 
bar, eine Reihe von StaatengrUndungen veranlaßt, die wie die Reiche der Ostgoten 
in Italien, der Westgoten in Spanien, der Vandalen in Afrika, der Angeln und 
Sachsen in Britannien, sämtlich auf germanischer Grundlage ruhten. 
Auch Ludwig der Deutsche mußte von seinen Söhnen Widerstand erleben. 
Sein ältester Sohn Karlmann empörte sich gegen ihn und bemächtigte sich 
Kärnthens und des Ostgrenzlandes. Nach eingetretener Sühne durfte er es 
behalten, jedoch unter der Oberhoheit seines Vaters. Darüber eifersüchtig 
erhoben sich die beiden jüngeren Söhne, Ludwig und Karl, gegen ihren 
Vater und waren nur durch eine Länderteilung zufrieden zu stellen. 
Unterdessen hatte Kaiser Lothar I 855 die Regierung seines Reichs¬ 
teils niedergelegt und sich in das Kloster Prüm (in den Ardennen) zurück¬ 
gezogen, wo er bald starb. Seine drei Söhne hatten sich in der Art in 
das väterliche Erbe geteilt, daß der ältere, Ludwig II, die Kaiserwürde und 
Italien, der mittlere, Lothar II, den nördlichen Reichsteil von der Nordsee 
bis zur Einmündung der Saone in die Rhone unter dem fortan gebräuchlichen 
Namen Lotharingen, der jüngste, Karl, den südlichen Reichsteil (nämlich 
Lyon, Dauphine, Provence, Genf, Savoyen) erhielt. Als der letztere starb, 
teilten sich die beiden älternBrüder in sein Erbe und als auch Lothar II (869) 
kinderlos starb, fiel dem Rechte nach Lotharingen an die Oheime Karl den 
Kahlen und Ludwig den Deutschen. Karl der Kahle wollte dieses ganze 
Land an sich reißen, aber Ludwig der Deutsche zwang ihn, den Vertrag 
von Mersen (an der Maas bei Mastricht, 870) abzuschließen und denje¬ 
nigen Teil von Lotharingen, der die Städte Basel, Straßburg, 
Metz, Trier, Köln, Aachen und Utrecht enthielt, ihm abzutreten, so daß 
also dieser Teil von da an zu Deutschland gehörte und der Rhein wieder 
seinem ganzen Laufe nach ein deutscher Strom wurde. In der Erwerbung 
der Kaiserwürde aber, die ihm nach dem (fünf Jahre darauf erfolgten) 
Tode Ludwig's II gebührt Hütte, kam ihm Karl der Kahle dadurch zu¬ 
vor, daß dieser wider sein gegebenes Wort mit einem Heere rasch nach Rom 
zog und sich 875 vom Papst Johann VIII krönen ließ. Dafür wollte ihn 
der bereits hochbetagte König Ludwig züchtigen, starb aber während der 
Rüstung 876 zu Frankfurt am Main und wurde im Kloster Lorch begraben. 
Rasch wollte Karl der Kahle den Söhnen des Verstorbenen die links vom 
Rhein gelegenen deutschen Landschaften entreißen. Aber einer derselben, 
Ludwig, überfiel ihn bei Andernach 876 und schlug ihn. 
92. Aach Ludwig's des Deutschen Tod teilten sich seine drei Söhne in 
das Reich: Karlmann erhielt Baiern, Kärnthen, Böhmen, Mähren; Lud¬ 
wig, gewöhnlich der Jüngere genannt, erhielt Franken, Sachsen, Türingen, 
und Karl (der Dicke) Alemannien und Rhätien. 
Karlmann zog 877 über die Alpen, um seinem Oheim Karl dem Kahlen 
die widerrechtlich angemaßte Krone von Italien zu entreißen. Karl der 
Kahle wich ihm aus und starb in einer Bauernhütte zu Briantzon in Savoyen. 
Als Karlmann hierauf nach Rom ziehen wollte, wurde er durch Krankheit 
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