Full text: Die deutsche Geschichte in ihren wesentlichen Grundzügen und in einem übersichtlichen Zusammenhang

242 Kap. 29. § 167. Kaiser Sigismund. (Hus verurteilt u. verbrannt.) 
zum Widerruf zu vermögen. Selbst sein Hauptankläger Palecz besuchte ihn im 
Gefängnis und stellte ihm vor, daß die Schande des Widerrufs nicht so groß sei; aber 
Hus entgegnete, daß eine Verurteilung als Ketzer und der Feuertod doch wohl eine 
größere Schande sei, und doch wähle er sie; wie er ihm denn zumuten könne, wider 
sein Gewissen zu thun? Daß darauf Palecz selbst weinte, beweist, wie viel gerade 
ihm daran lag, durch Hus' Widerruf die Schmach künftigen Vorwurfs von sich und 
dem Concilium abzuwälzen. Auch der Kaiser sandte aus dem gleichen Grunde eine 
förmliche Deputation an Hus, ohne etwas auszurichten. 
Am 6. Juli, seinem Geburtstage, wurde Hus vor das ganze, in der 
Domkirche versammelte Concilium gestellt und nach der Predigt über 
Röm. 6, 6. die Reihe der ketzerischen Artikel vorgelesen. Alle seine Er¬ 
läuterungen und Rechtfertigungsgründe wurden mit dem Gebot des 
Schweigens zurückgewiesen, selbst als er im Namen des allmächtigen 
Gottes bat, ihn anzuhören. Als er unter andern sagte, daß er frei und 
ungezwungen zu diesem Konzil gegangen sei, einzig in dem Vertrauen auf 
das ihm gegebene Wort des hier anwesenden Kaisers, richtete er dabei 
seine Augen starr auf denselben, so daß Sigismund errötete. 
Nach Verkündigung des Urteils, daß er als unverbesserlicher Ketzer 
seines Priesteramtes zu entsetzen und der weltlichen Obrigkeit zur Bestrafung 
zu übergeben sei, wurde ihm von sieben Bischöfen jedes Stück der Priester¬ 
kleidung unter Spott und Hohn vom Leibe gerissen; wobei er sich selbst 
zur Stärkung seines Glaubens das Beispiel Jesu vorhielt. Zuletzt nahm 
der Kaiser das Wort und befahl, ihm zu thun, wie einem Ketzer. Damit 
war ausgesprochen, daß er zum Feuertode verurteilt sei, und so wurde 
Hus dem Kurfürsten Ludwig von der Pfalz, als dem bestellten Vollstrecker 
des Urteils, übergeben und noch am gleichen Tage, den 6. Juli 1415, 
verbrannt. Er starb mit dem standhaftesten Glaubensmut. 
Bei dem Scheiterhaufen angekommen, der auf einer Rheininsel errichtet war, fiel 
Hus auf die Kniee und betete so inbrünstig, daß das Volk sich laut wunderte, daß ein 
Ketzer so beten könne. Als er schon aus dem Holzstoß mit Ketten und feuchten Stricken 
an den Pfahl gebunden und bis an den Hals mit Stroh umlegt war, bot ihm der 
Reichsmarschall noch einmal Rettung an, wenn er abschwören wollte. Allein Hus rief 
laut, daß er die Wahrheit, die er gepredigt, mit dem Tode besiegeln wolle. 
Als die Flammen emporloderten, hörte man ihn zweimal rufen: „Jesu Christe, du 
Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich mein." Ein plötzlicher Windstoß trieb ihm 
die Glut ins Gesicht, daß er jene Worte das drittemal nicht vollenden konnte. Doch 
sah man noch durch die Flammen hindurch seine Lippen sich bewegen, bis er verschied. 
Seine Asche wurde in den Rhein geworfen. 
Das gleiche Schicksal hatte im folgenden Jahre Magister Hieronymus. Auch er 
ging nach Kostnitz, verließ es aber wieder, als er seinen Freund in Gefahr sah. Doch 
erklärte er, sich stellen zu wollen, wenn man verspreche, ihn vor dem Verhör nicht zu 
verhaften. Daraus nahm das Konzil keine Rücksicht, sondern zog ihn gefänglich ein. 
Vier Monate wurde er in einem schlechten Kerker gehalten, bis er sich, von Krankheit 
und Elend gebeugt, im Sept. 1415 zum Widerruf verstand. Als man ihn aber 
doch nicht frei gab, nahm er feinen Widerruf feierlich zurück, verteidigte sein 
Bekenntnis vor dem Konzil in einer feurigen Rede, welche tiefen Eindruck machte, und 
litt am 30. Mai 1416 standhaft den Feuertod. „Kein Weltweiser (so schrieb damals 
Äneas Sylvius) hat so viel Mut aus dem Sterbebette bewiesen, als diese Männer 
auf dem Scheiterhaufen." Hus selbst aber hatte gesagt (mit Hindeutung aus seinen 
Namen, der im böhmischen „Gans" bedeutet): „Die Gans ist ein schwaches und zahmes 
Tier und erhebt sich nicht zu hohem Flug, aber stärkere Vögel, Falken und Adler 
werden nach ihr kommen und werden, sich hochschwingend, alle Schlingen durchbrechen." 
168. Indessen war die kirchliche Bewegung in Böhmen durch den Tod 
dieser beiden reformatorischen Männer keineswegs zum Stillstand gebracht,
	        
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