316 Kap. 35. § 202. Religionskrieg in der Schweiz. Zwinglis Tod.
cher Prediger, der seine evangelische Kirche in einem ihnen nicht einmal gehörenden
Orte hatte besorgen wollen.
Dieses Verfahren bewog Zürich zum Krieg, und Zwingli, der von keinem Frie¬
den wissen wollte, wenn nicht die Predigt in allen Kantonen freigegeben würde, zog als
Feldprediger mit aus. Allein das auf Zürich eifersüchtige Bern versagte seinen
Beistand und brachte durch Vermittlung die Fünforte dahin, den Bund mit Öster¬
reich aufzulösen und in den von den Kantonen gemeinschaftlich verwalteten Vogteien der
Mehrheit der Stimmen die Entscheidung über den Glauben zu überlassen. Um mit
mehr Nachdruck auftreten zu können, versuchte man vor dem Augsburger Reichstag noch
einmal eine Vereinigung mit den Lutheranern; allein obwohl Bucer und Oeko-
lampadius ihnen näher traten, so konnte,doch Zwingli nicht dazu gebracht werden.
Da die Fünf orte aufs neue mit Österreich in Unterhandlung traten und in der
Tagsatzung die Mehrheit auf ihrer Seite hatten, so stieg die Erbitterung gegen sie, und
Zwingli, der nicht bloß die kirchliche, sondern auch die politische Umge¬
staltung der Schweiz stets vor Augen hatte, trieb aufs neue zum Krieg gegen
die Fünforte. Bern schlug abermals seinen Beistand ab, machte aber den Vor¬
schlag, die Fünforte durch Entziehung der Zufuhr nachgiebig zu machen.
Die nun eintretende Grenzsperre brachte einen Mangel an den notwen¬
digen Lebensmitteln hervor uni) trieb die Fünforte zum äußersten. Sie
brachen aus ihren Alpenpässen hervor und fielen, 8000 Mann stark, plün¬
dernd in's Gebiet der Züricher ein, die nur 1200 Mann bei Kappel
stehen hatten. Die strenge Grenzaufsicht hatte verhindert, daß den Zürichern
Nachricht von diesem feindlichen Vorhaben zukam, und da sie versäumt hatten,
den Paß über den Albis zu besetzen, so konnten die Gegner so schnell
und so weit vordringen. Diese Überraschung brachte in Zürich so große
Unordnung hervor, daß von der Stadt aus kaum 700 Mann, darunter
auch Zwingli, zu Hilfe eilten. Von zwei Seiten angegriffen, wurden die
Züricher bei Kappel am 11. Okt. 1531 geschlagen. Auch Zwingli,
welcher schwer verwundet unter einem Baume mit gefalteten Händen lag,
erhielt von einigen Kriegsknechten den Todesstoß und starb mit den Wor¬
ten „den Leib können sie töten, aber die Seele nicht". Als man am
andern Tag seinen Leichnam erkannte, hielten die Gegner Gericht über
denselben, vierteilten und verbrannten ihn und streuten die Asche
in alle Winde.
Zu spät kamen die resormirten Bundesgenossen mit 1200 Mann herbei,
und noch dazu mit so geringer Vorsicht und Geschicklichkeit, daß auch sie
von dem kleinen Heere der Funsorte eine Schlappe erhielten. Obgleich
König Ferdinand dem Kaiser riet, die reformirten Schweizer jetzt offen
anzugreifen, so kam es doch zwischen den beiden eidgenössischen Parteien
zum Frieden, demzufolge die Fünforte das Übergewicht behielten,
und der Katholicismus in vielen Orten wiederhergestellt, ja auf die folgen¬
den Jahrhunderte hinaus befestigt wurde.
203. Uach Zwinglis Tod erhielt die Züricher Gemeinde an Heinrich
Bnllinger (geb. 1504) zwar einen kräftigen Vertreter; doch fand die
schweizerische Reformation im allgemeinen mehrere Jahre hindurch keinen
eigentlichen Leiter, der alle zerstreuten Kräfte vereinigt hätte. Erst in
Calvin, der aber nicht aus Zwinglis Schule, auch nicht aus der deutschen
Schweiz hervorging, sondern aus Frankreich vor den Über die dortigen
Protestanten verhängten Verfolgungen des Königs Franz I sich in die
Schweiz flüchtete, kam der Mann, der als Gründer der französisch¬
schweizerischen Reformation das Werk Zwinglis weiterführte.