340 Kap. 36. § 220. Der Passauer Vertrag.
liche, katholische und protestantische Fürsten mit der Forderung, daß der
Friede beiden Teilen zu Gute kommen und beide gegeneinander sicher stellen
müsse. Ohnedies war in diesem Augenblicke die ganze katholische Partei
gegen die protestantische im Nachteil und konnte auf einen ausreichenden
Schutz des Kaisers nicht mehr rechnen. So kam der Passauer Pertrag
1552 (am 6. Juni) zu stände, dieses merkwürdige von den Fürsten Deutschlands
verfaßte und von König Ferdinand mit unterschriebene, sowie nachher von
dem Kaiser bestätigte Gutachten, welches den Prote st anten Augs¬
burg isch er Konfession völlige Gewissensfreiheit ein¬
räumte, die bürgerliche Rechtsgleichheit unter Hinweisung auf die
Entscheidung des nächsten Reichstages in Aussicht stellte und für alle
aus dem Lande Vertriebenen eine allgemeine Verzeihung gewährte. Eine
Klausel enthielt noch die wichtige Bedingung, daß der Friede auch dann
aufrecht bleiben sollte, wenn kein Religionsvertrag zu stände komme.
Anfangs schlug der Kaiser, der von dem Gedanken einer formalen Einheit der
Christenheit nicht abgehen wollte, ohne weiteres die Bewilligung eines immerwährenden
Friedens ab und hatte von Villach aus neue Rüstungen betrieben, deren Mittelpunkt
Frankfurt a. M. war. Moritz war daher in sein bis Mergentheim vorgeschobenes
Lager gereist und hatte dort mit seinen Verbündeten den Beschluß gefaßt, durch
eine Überrumpelung Frankfurts den Kaiser auf andere Gedanken zu bringen. Zu
gleicher Zeit reiste Ferdinand nach Villach zum Kaiser und nur seinen dringenden
Vorstellungen hat man es zu danken, daß der Kaiser endlich einwilligte.
Nun hörte der gedrückte Zustand des Reiches auf, die ver¬
triebenen Prediger kehrten zurück; das Interim ward feierlich
abgeschafft, die über die fchmalkaldifchen Bundesgenossen ver¬
hängte Acht aufgehoben und die beiden gefangenen Fürsten
wurden frei; nur mußte der Landgraf geloben, den früheren
Vertrag zu halten und seine Gefangenschaft nicht zu rächen.
Johann Friedrich mußte zuvor noch das Abkommen seiner Söhne mit Moritz
bestätigen. Noch einmal wollte ihm der Kaiser zumuten, sich den Beschlüssen eines
künftigen Konzils oder Reichstages in Sachen der Religion zu unterwerfen: er blieb aber
bis zum letzten Augenblick standhaft in seiner Glaubenstreue. Als Johann Friedrich
das sächsische Gebiet wieder betrat, ward er überall, besonders in den ihm noch ge¬
bliebenen Landschaften, fast wie ein Märtyrer empfangen und von Alt und Jung in
allen Ständen mit Freudenrufen und Tränen der Rührung, sowie mit anderen Be¬
weisen der Verehrung und Anhänglichkeit überhäuft. (Erwähnenswert ist, daß der
berühmte Maler Lucas Cranach aus Liebe zu ihm vom Jahre 1550 an die Ge¬
fangenschaft mit ihm geteilt hatte.) Landgraf Philipp, der bis zum letzten Augen¬
blick seiner Haft üble Behandlung erfahren hatte und durch sein Unglück ruhiger und
milder geworden war, kehrte in sein Land zurück; sobald er nach Kassel gekommen war,
eilte er zum Grabe seiner inzwischen gestorbenen Gemahlin (in der Martinskirche), in
frommer Andacht der vergangenen Prüfungen gedenkend.
221. Gern zeigten sich die meisten deutschen Fürsten dem Kaiser will¬
fährig, welcher, um des Reiches Würde zu wahren, den Entschluß faßte,
die Franzosen wieder aus Lothringen zu vertreiben. Auch aus Spanien
eilten viele Große herbei, um sich ihrem bedrängten Herrn zu Diensten zu
stellen, und sein Sohn Philipp sandte ihm eine Million Ducaten, die er
für ihn in Spanien aufgebracht hatte. Daher sah sich Kaiser Karl bald
von einem bedeutenden Reichsheer umgeben, mit dem er sich gegen
Frankreich wandte, während Moritz dem König Ferdinand in Un¬
garn gegen die Türken zu Hilfe zog, was er ihm vor der Eingehung
des Passauer Vertrages hatte versprechen müssen. Dadurch entging Moritz