Full text: Die deutsche Geschichte in ihren wesentlichen Grundzügen und in einem übersichtlichen Zusammenhang

346 Kap. 37. § 223. Melanchthons Ende. Schluß des Tridentiner Konzils. 
Anhängern der Zwinglischen und Calvinschen Lehre ermöglicht, die Melanchthon sehnlichst 
wünschte, während die strengen Lutheraner eine solche entschieden verwarfen. Der hier¬ 
über entbrannte heftige Streit verbitterte Melanchthons letzte Lebensjahre, der über¬ 
haupt von den vielen Streitigkeiten in der Kirche viel zu leiden und zu tragen hatte. Überall 
in Deutschland mußte er bei Religionsgesprächen, Disputationen, Beratungsversamm¬ 
lungen, Kircheneinrichtungen, Vermittlungen und Vergleichen, Begutachtungen und Ent¬ 
würfen sein Wort und seine Feder leihen. Auf die Vorwürfe feiner Gegner über seine 
Nachgiebigkeit entgegnete er: „Wenn ich irgend einen Fall getan oder etwas zu lässig 
behandelt habe, so bitte ich Gott und die Kirche um Verzeihung, wünsche auch in meinem 
ganzen Leben nichts mehr, als daß einmal fromme und gelehrte Männer ruhig, ohne 
Sophistik und böse Leidenschaften über die gesamte Lehre sich besprechen, und so der 
Nachwelt deutliche und entwickelte Lehrsätze hinterlassen möchten". — Am 30. März 1560 
erkältete er sich auf der Rückreise von Leipzig, wo er Stipendiaten geprüft hatte, und 
bekam vom 7. April an ein Wechselfieber, fuhr aber in fieberfreien Stunden mit seinen 
gewöhnlichen Arbeiten fort. In der Nacht auf den 13. April erwachte er aus einem 
Traum, in welchem es ihm vorkam, er habe die Worte: „Mich hat herzlich verlangt, 
dies Osterlamm mit euch zu essen", nach der Melodie, die er einst als Knabe in den 
Kirchen mitgesungen hatte, so laut gesungen, daß er darüber erwachte. Er stand um 
drei Uhr auf, arbeitete für die Universität das Osterprogramm vollends aus, trug es 
selbst in die Druckerei und ging mit der Gemeinde zum H. Abendmahl. Am zweiten 
Ostertag sagte er feinem geliebten Freund Camerarius: „Ich habe Lust abzuscheiden 
und bei Christo zu sein!" Als ihm in einer der folgenden Leidensnächte sein Arzt und 
Schwiegersohn Peucer die Gefahr nicht verhehlte, sprach Melanchthon mit der größten 
Ruhe: „Ich habe nur Eine Bekümmernis, nur Eine Sorge, daß die Kirche in Christo 
Jesu einmütig sein möchte." Unter manchen G^betsäußerungen wartete er auf seine 
Ende, und als dieses näher rückte, und Peucer ihn fragte, ob er etwas begehre, ant¬ 
wortete er: „Nichts als den Himmel; störet meine süße Ruhe nicht! denn mein Ende 
ist nahe." Während man noch über ihm betete, gewahrte man seine Lippen sich noch 
betend bewegen, bis er sanft und stille entschlief. Er wurde, von Professoren getragen, 
in der Schloßkirche zu Wittenberg, dem Sarge Luthers gegenüber, beigesetzt. 
Bei vielen von denen, die sich einer vermittelnden Richtung zuneigten, machte der 
Calvinismus große Fortschritte. Das seit 1546 durch den Kurfürsten Otto Heinrich 
(ehemaligen Pfalzgrafen von Neuburg) in allen pfälzischen Ländern eingeführte Luther¬ 
tum mußte 1554 unter seinem Nachfolger, dem Kurfürsten Friedrich III (aus der 
Sirnrnernfchen Linie), der die schweizerische Reformation annahm, der calvinischen 
Einrichtung des Gottesdienstes weichen. Um dieselbe in seinem Lande zu be¬ 
festigen, ließ er 1563 den Heidelberger Katechismus von Urftnus und Olevian us 
verfertigen, welcher von nun an Bekenntnisschrift der Deutsch-Reformirten wurde. — 
Calvin starb im folgenden Jahre, am 27. Mai 1564, zu Genf nach einem mühevollen 
Kampfesleben, nachdem er sich noch aus seinem Sterbelager zu den in seinem Hause 
versammelten Geistlichen hatte tragen lassen, um an ihrer gemeinschaftlichen Vorbereitung 
zum heil. Abendmahl teilzunehmen. Ihm folgte die größte Teilnahme aller Stände des 
von ihm geordneten Freistaats. 
Endlich wurde auch das Trideniiner Concilium am 4. Dezbr. des Jahres 
1563 geschlossen, das in 18 Jahren bei vielfachen Unterbrechungen 25 Sitzungen 
gehalten hatte. Um keiner Art von Reformation in die von ihm aufge¬ 
stellte Glaubenslehre Eingang zu gestatten, war jedem dogmatischen Ar¬ 
tikel das Anathema angehängt, wodurch der Riß zwischen der evangelisch-prote- 
stantischen und der römisch-katholischen Kirche zu einem unheilbaren geworden ist. 
Der Papst bestätigte die Beschlüsse dieses Konzils am 26. Januar 1564; er konnte 
dies um so unbesorgter tun, da die Unbestimmtheit ihrer Abfassung ihm stets einen 
Ausweg bot, die Auslegung aller dieser Beschlüsse ausdrücklich dem Papste vorbehalten, 
und noch in Oer letzten Sitzung eine Klausel eingeschoben worden war, daß die Macht¬ 
vollkommenheit des apostolischen Stuhls in allen Beziehungen gewahrt sein solle. 
Er hatte somit fast alles, was bisher auf dem Spiele gestanden hatte, wenigstens theo¬ 
retisch wieder gewonnen, um es in günstigerer Zeit praktisch wieder anzuwenden. ^ 
Im übrigen stellte das Konzil eine reinere Sittenlehre her (ein 
Ziel, an welchem früher der gute Wille eines Hadrian VI gescheitert
	        
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