354 Kap. 37. § 226. Jülich'scher Erbschaftsstreit. Aufstand der Ungarn u. Böhmen.
Neuburg, rasch in den gemeinschaftlichen Besitz des Landes*). Hierauf
erklärte der Kaiser diese eigenmächtige Besitzergreifung für einen Bruch
des Reichsrechtes, ernannte den Erzherzog Leopold von Steiermark
(ber zugleich Bischof von Straßburg und Passau war) zum Sequestrator
und ließ die Stadt Jülich mit Waffengewalt besetzen.
Da schloß die Union auf Betrieb des Kurfürsten von der Pfalz,
der keinen Habsburger am Niederrhein sich festsetzen lassen wollte, undeut¬
scher Weise ein Bündnis mit Frankreich, dessen König Heinrich IV
biefc Gelegenheit willkommen war, um wo möglich Österreichs Macht in
Europa zu brechen unb Deutschlanb eine anbere Gestalt zu geben.
Mit solcher Hilfe branbfchatzte bie Union bie geistlichen Stifter in Franken
unb am Rhein, währenb bie Franzosen Jülich belagerten. Nun forderte
ber Kaiser bie Liga auf ihn zu unterstützen; ehe diese aber herbeikam,
änderte sich die Lage der Dinge, indem Heinrich IV, der sich gerade zum
Aufbruch an den Rhein anschickte, in Paris ermordet wurde und die „pofse-
direnden Fürsten" die Kaiserlichen aus Jülich vertrieben.
Mit der Ermordung Heinrichs IV in Paris und mit dem bald darauf
erfolgten Tode Friedrichs IV von der Pfalz ließ die Gereiztheit zwischen
den Unirten und den Ligisten für diesmal nach, und am 24. Oktober 1610
schloß die Union mit der Liga Frieden.
Brandenburg und Neuburg wollten sich nachher durch eine Heirat des P falz -
grafen von Neuburg mit der Tochter des Kurfürsten Johann Sigismund
von Brandenburg vergleichen. Weil aber bei einer persönlichen Zusammenkunft in
Düsseldorf ber Pfalzgras auf der vollständigen Abtretung bestand und in dem Wort¬
wechsel, der sich beshalb erhob, vom Wein erhitzt, ben Kurfürsten beleibigte, so soll ihm
dieser einen Schlag ins Gesicht gegeben haben, ber bie Folge hatte, baß ber Pfalz-
3 ruf bie Schwester bes Herzogs Maximilian von Baiern, also eine Katholikin, heiratete
unb sogar selbst katholisch würbe (1613), woburch er bie Unterstützung ber Liga
unb der ganzen katholischen Partei gewann. Dadurch sah sich Johann Sigismund
genötigt, sich gleichfalls nach fremder Hilfe umzusehen, welche ihm die Union ant besten
gewähren, konnte. Um diese für steh zu gewinnen, trat er am 25. Dez. 1613 zu Ber¬
lin zu den N eformirt en über. Dieser Schritt war für die lutherische Kirche,
Deren Hauptstütze seit einem halben Jahrhundert, nächst dem sächsischen Hause, bas
btanbenburgische gewesen war, für bie spätere Folge verhängnisvoll. Im ersten
Augenblick erhob sich in Berlin sogar ein Aufruhr, unb in ganz SBranbenburg unb
Preußen war eine heftige Aufregung, bie aber zu keiner Änderung des Verhältnisses
führte, da Sigismund sich enthielt, feinen Glauben feinen Untertanen mit Gewalt
aufzudrängen. Darauf zog der Kurfürst niederländische,^ der Pfalzgraf spanische
Hilfstruppen (unter Spinola) ins Jülich'sche. Weil aber beide bald sahen, daß nament¬
lich durch die fremden Kriegsvölker das Land ganz zu Grunde gerichtet würde, so schlos¬
sen sie 1614 den Vertrag von Xanten, in welchem Brandenburg Cleve, Mark,
*) Die genealogischen Verhältnisse im Jülich'schen Erbschaftsstreit:
Herzog Johann III von Cleve und der Mark,
vermählt mit Maria von Jülich, Berg und Ravensberg.
Herzog Wilhelm f 1592. Sibylla, Anna,
vermahlt mit vermählt mit
Kurf. Ioh. Friedrich König Heinrich VIII
Joh. Wilhelm, Maria Anna, v. Sachsen. v. England.
1609. Eleonora, verm. an
verm. an Phil. Ludwig,
Albert Friedrich Pfalzgraf von
von Preußen. N e u b u r g.
Anna, Wolfgang WIlh.,
verm. an Pfalzgraf von
Joh. Sigismund, Neuburg.
Kurf. v. Brandenburg.