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erhalten. _ Nachdem er geschworen, unter schweren Verwünschungen gegen 
sich und seme Kinder, wenn er nicht nach Empfang des Talentes mich 
retten würde, ging ich in das Nebenzimmer und öffnete den Geldschrank. 
Als Peison dies bemerkte, trat er hinein, und da er sah, was darin 
-war, rief er zwei feiner Diener und befahl ihnen, den Inhalt des Schran¬ 
kes wegzunehmen. Nun, da er nicht bloß das, was ausbedungen war, 
hatte, sondern drei Talente Silbers, vierhundert Kyzikener 1)r hundert 
Dareifen und vier silberne Schalen, richtete ich an thu die Bitte, mir 
ei» Reisegeld zu geben; er aber antwortete, ich müsse froh fein, wenn ich 
das Leben rette. Als ich mit Peison aus dem Hause trat, stießen auf 
uns Melobios und Mnesüheides?) die von der Werkstätte kamen. Da 
sagten sie, er solle gehen, ich aber solle mit ihnen nach dem Hause des 
Damnippos kommen. Von hier machte ich mich auf die Flucht, während 
jene an der vorderen Haustüre Wache hielten. Alle drei Türen, durch 
Sie ich hindurchgehen mußte, traf ich glücklicherweise offen. 
Ich erreichte das Haus des Schiffers Archeuaos und schickte diesen nach 
der Stadt, um über meinen Bruders Erkundigungen einzuziehen. Er 
brachte mir die Nachricht zurück, daß Eratosthenes meinen Bruder auf der 
Straße ergriffen und in das Gefängnis abgeführt habe. Auf solche Nach- 
richten^ hin fuhr ich gleich in der folgenden Nacht zu Schiffe nach Megara 
ab. Ten Polemarchos hießen die Dreißig den Schirlingsbecher trinken, 
ohne ihm auch nur den Grund seiner Hinrichtung anzugeben. So wenig 
fand ein gerichtliches Verfahren statt, bei dem er sich hätte verteidigen 
können. Als nun sein Leichnam aus dem Gefängnis fortgeschafft wurde, 
ließen sie ihn aus keinem der drei Häuser, die wir hatten, zu Grabe 
tragen, sondern mieteten eine Baracke und stellten ihn aus. Und von den 
vielen Gewändern, die er hatte, gaben sie trotz aller Bitten keines zur Be¬ 
stattung heraus, sondern feine Freunde gaben der eine einen Mantel, der 
andere ein Kopfkiffen, andere, was gerade ein jeder hatte, zur Beerdigung 
her. Und obwohl sie von uns 700 Schilde hatten, ferner so viel Silber 
und Gold, Erz, Schmuck, Geräte und Frauenkleider, als sie nie zu be¬ 
kommen hoffen konnten, und 120 Sklaven, von denen sie die besten für 
sich behielten, die übrigen für die Staatskasse verkauften, waren sie doch 
in ihrer Gewinnsucht unersättlich. Melobios riß gar der Frau des Po¬ 
lemarchos die goldenen Ringe, die sie gerade trug, als er erstmals ins 
Haus trat, aus den Ohren heraus. 
35. Vom Zuge der Zehntausend, 401 v. Chr. 
Der berühmte Svldnerzug der Zehntausend, mit deren Hülfe Cyrus der 
Züngere seinen Bruder, den Großkönig Artaxerxes II. Mnemon, vom Throne 
zu stoßen suchte, läßt die Ueberlegenheit griechischer Kraft über die starre Kultur 
des Perserreiches noch einmal in hellem Lichte erscheinen. 
]) Persische Goldmünze, nach der Stadt Kyzikos benannt, = 30 Mk. — 
2) Ebenfalls persische Goldmünze, = 23 Mk. 
3) Ebenfalls Mitglieder der Dreißig. — *) Polemarchos.
	        
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