Full text: Das Jahrhundert des Großen Kurfürsten (Bd. 1)

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Bewaffnung. Anstatt selbst zu kommen, auf kräftigen Streitrossen, 
wie es ihre Pflicht gewesen wäre, schickten die Ritter die untüchtigsten 
Leute auf elenden, abgetriebenen Gäulen. Bei der Musterung 
1627 auf dem Mühlendamm in Berlin, als man die Dänen verjagen 
wollte, sah es nicht besser aus. Mit solchem Heere, das nur daraus 
wartete, so bald wie möglich wieder nach Hause geschickt zu werden, 
ließ sich kein Feind schrecken, weder Ehre ^erwerben noch das Land 
schützen. Mit dem Landstürme aber war es noch schlechter bestellt. 
Was konnte man auch von armen Bauern erwarten, die geradeswegs 
vom Pfluge geholt waren und kaum die Waffen zu führen verstanden! 
Der 1627 ausgebotene Landsturm richtete gegen die in der Mark 
hausenden Dänen gar nichts aus. „Was soll man mit solchen Leuten 
ausrichten?" sagt ein damaliger Bericht. „Wenn's zum Ernst kommt, 
macht ihre Unerfahrenheit Land und Leute verlieren!" 
Die kriegerische Zeit erlaubte aber nicht, ganz ohne Heer zu 
bleiben. Da Aufgebot und Landsturm nicht ausreichten, mußte man 
Soldaten anwerben, Heere aus Waffenknechten bilden. Dies geschah 
nun auch, doch gegen spätere Zeiten mit dem Unterschiede, daß 
man kein stehendes Heer hielt, sondern dieses nach Bedürfnis an¬ 
warb, einrichtete und, sobald die Gefahr vorüber schien, wieder ent¬ 
ließ. Da die Kurfürsten Johann Sigismund und Georg Wilhelm 
immer in den Geldmitteln beschränkt blieben, die Stände solche nur 
schwierig und kärglich bewilligten, so brachte man es auch nie zu einer 
größeren Armee. Mit der vorhandenen die Neutralität des Landes 
wirklich im Ernste verteidigen zu können, war nicht möglich. Sie 
reichte knapp zur Besetzung der vier Festungen (Spandau, Küstrin, 
Petz, Driesen) aus. 
Die geworbenen Truppen waren nicht die besten Leute, ein rohes, 
wüstes Volk, zu allen Ausschreitungen geneigt, schwer in Zügel zu 
halten und auch _ im eigenen Lande für Bürger und Bauern eine 
wahre Plage. Die Klagen über sie hörten nie auf. Den Krieg be¬ 
trachteten sie nur als eine Gelegenheit zu Raub und Plünderung. 
Bevor ein Truppencorps zusammen war, hatten die Angeworbenen das 
Recht zu „garden". Als „Gardenbrüder" oder „gardendes Gesindel" 
durchstreiften sie dann das Land, verübten Mutwillen aller Art, lebten 
vom Bettel und Diebftahl und fielen damit besonders dem Landmanne 
zur Last, der sich ihrer kaum zu erwehren vermochte. Nicht mehr als 
ihrer zehn durften sich zum „Pranken" oder Betteln vereinigen, 
mußten eine Bescheinigung ihres Hauptmannes, daß sie geworben wären, 
vorzeigen können, sich damit genügen lassen, wenn ihnen in einem 
Dorfe insgesamt drei Groschen gegeben wurden, sollten auch ein und 
dasselbe Dorf nur einmal betreten. Dem einzelnen Landsknechte sollte 
der Bauer zwei, der Kossäte einen Pfennig geben, und wenn sie 
damit nicht zufrieden wären, Prügel. 
Mußte Kriegsvolk geworben werden, so schloß der Kurfürst mit 
Kriegsobersten einen Vertrag ab; er gab ihnen Werbepatente, Be¬ 
stallungen, nach denen sie in fo und so viel Zeit die ausbedungene Zahl 
an Reitern oder Fußknechten zusammenbringen mußten. Die Obersten
	        
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