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volle Stadt St. Petersburg (1703). Während dessen verband sich Peter
mit dem abgesetzten Kbmg von Polen gegen Karl. Dieser aber, ein sehr kühner
unö entschlosiener- Mann, rückte in Russland ein und besiegte ein großes russisches
bei Narva (1700) Peter kam durchliefe verlorene
Schlacht tn etne bedenkliche Lage, so da,s er semen Gegner nicht anzugreifen waqte
Da entstand eine furchtbare Kälte, die Lebensmittel gingen aus, und es blieb dem
Schwedenkönig nichts anders übrig, als nach Hause zu eilen. Seinen Groll gegen
Peter hielt er aber fest. Nach einigen Jahren kam er wieder und drang mit
vielen Mühseligkeiten m Russland vor. In der Nähe der Stadt Pultawa
stellte er sem Heer zu einem Kampfe auf, den er aber nicht eher unternehmen
wollte, als bis fein General Löwenhaupt aus Livland herbeigeeilt war. Dieser
kam zwar an; aber die Russen hatten ihm vorher den größten Theil seines
Heeres und Gepäckes vernichtet. Infolge dessen wurde am 8. Juli 1709 von
den Russen ein blutiger Sieg erkämpft und der größte Theil des schwedischen
Heeres gefangen genommen. Später verbanden sich die Schweden mit ben Türken
unb rückten 1711 an ben Pruth, wo sie Peter einschlössen. Aus biefer gefahr¬
vollen Lage rettete ihn feine Gemahlin Katharina, bie er, obwohl sie aus niedrigem
Stande geboren war, wegen ihrer Schönheit und Tugend zu sich emporgehoben
hatte, und es kam zum Frieden. Peter starb 1725.
§. 120. »Viettfd). Aus bem, was bisher erzählt worben ist
ersehen wir wohl, dass Peter für Rufelanb sehr viel gethan hat. Das erkannten
feine Russen auch an unb baten ihn noch in ben letzten Jahren seines Lebens, ben
Titel Kaiser aller Reußen anzunehmen. Auch bewies Peter gegen bieieniqen
welche er achtete, viel Menschenfreundlichkeit unb Liebe. Mit besondrer Schonung
behandelte er seinen unwürbigen Sohn Alexej. Vergegenwärtigen wir uns aber
seine barbarischen Vergnügungen (bie Papsthochzeiten, bie Belustigung, welche er
einem preußischen Gesanbten veranstaltete), bie Grausamkeit in Strafen, bas
Thierische in feinen Genüssen, so fällt auch ein großer Schatten auf bas Leben
dieses Mannes. Doch bürfen wir ihn beshalb nicht zu streng beurtheilen; beim
so wie bie Russen noch heute in ihrer Kultur ben übrigen Völkern Europa's nach¬
stehen , ebenso unb in noch weit größerm Maße, waren sie bamals ungebilbet.
Es war baher ein kräftiges Verfahren gegen sie nothwendig. Unb wenn Peter
bie Flecken ber Barbarei an sich selbst nicht verwischt hat, so erklärt sich bies
daraus, bafs er in ben Sitten feines Volkes erzogen war, unb feine später er¬
langte Bilbung jene Flecken nicht verwischen konnte. Jebenfalls erkennen wir in
ihm eine große Kraft, bie nach bem Guten strebte.
Pierer'sche Hvfbuchdruckerci. Stephan Kerbel & Sa. in Altenburg.