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Als sich aus irgend einem Anlasse ein aufgeregter Haufe vor einem Re¬
gierungsgebäude sammelte und das dort aufgestellte Militär reizte, gab
die Wache Feuer; eine Anzahl Menscken wurden getötet, andre verwundet.
Mit dem Rufe: „wir sind verraten, man mordet das Volk, zn den Waffen!"
stürzte die erbitttcrte Menge durch die Straßen von Paris. Wie durch
ein Zauberwort stiegen die Barrikaden aus dem Boden; die Nationalgarde
verband sich mit dem Volke; die Tnilerien wurden erstürmt und verwüstet,
die Krone zerbrochen, der Thronseffel verbrannt. Der greise König
floh mit den Seinen in's Ausland; Frankreich wurde von neuem
Republik. Vom Glanze des bonapartistischen Namens bestochen, wählte
man zum Präsidenten derselben den Neffen des Kaisers
Napoleon, den Sohn des ehemaligen Königs von Holland, Louis Na¬
poleon, der bis dahin ein unstetes, wechselvolles, abenteuerliches Leben
geführt hatte. Wie aber einst dem Onkel das Konsulat, so war auch
jetzt dem Neffen der Präsidentenstuhl nur die Staffel zum
wirklichen Throne. Vier Jahre später entledigte er sich durch einen
Gewaltstreich seiner Gegner und ließ sich (1852) durch allgemeine
Abstimmung des klug geleiteten und bearbeiteten Volkes zum Kaiser
der Franzosen erwählen. Als Napoleon ill. (— Napoleons 1.
Sohn wurde, obgleich er nie die Krone getragen, als Napoleon II. mitge¬
zählt —) bestieg er den Thron.
4. Blitzesschnell flog die Kunde von der „Februarrevolution"
durch Deutschland; sie weckte die Hoffnung auf Besserung der
eigenen Zustände; allerorten wurden stürmische Forderungen laut.
Das deutsche Volk verlangte größere Freiheit und nationale
Einigung. Ein Parlament sollte seine Rechte den Regierungen gegen¬
über vertreten ; alle Standesvorrechte sollten abgeschafft, das stehende Heer
vermindert, eine Bürgerwehr geschaffen, öffentliche Rechtspflege und Ge¬
schwornengerichte eingeführt und Preßfreiheit gewährt werden; man for¬
derte einheitliche Gesetzgebung in Bezug auf Handel und Verkehr und vor
allem einheitliche Obergewalt, damit das Reich die ihm gebührende Stellung
nach außen erlange.
Viele der Regierungen waren bereit, sich diesen Forderungen zu
fügen, soweit es in ihrer Macht stand. Aber trotz der gemachten Zuge¬
ständnisse und Bewilligungen kam die Revolution zum Ausbruch. In
Wien und Berlin entstanden blutige Ausstände, in denen
zunächst das Volk den Sieg davon trug. Dort wurde Fürst Met¬
ternich gestürzt und vertrieben; eine Zeit lang führten Studenten und
Arbeiter das Regiment; die Ungarn erhoben sich, um sich von
Ostreich loszureißen; Ferdinand entsagte der Krone, und
sein Neffe Franz Joseph bestieg den Thron. Und in Berlin
Zwang man den König, den Leichen der in den Barrikadenkämpfen Ge¬
fallenen, die man, mit Blumen geschmückt, in feierlichem Zuge unter Cho¬
ralgesang über den Schloßhof führte, mit entblößtem Haupte seine Achtung
zu bezeigen. Aber es war nur ein vorübergehender Sieg der Revolutions¬
partei. Fürst Windischgräz erstürmte Wien und hielt strenges
Gericht über die Ausrührer, und im folgenden Jahre wurde auch
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