Full text: Deutsche Geschichte mit entsprechender Berücksichtigung der allgemeinen (Kursus 2,2)

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Weiter führte Germanikus die mit Grimm und Zorn erfüllten 
Krieger; an der Weser kam es zum Hauptkampf. Zuvor verlangte Armin 
seinen Bruder Flavius, der im römischen Heere diente, zu sprechen; man 
verstattete es ihm. „Durch den Fluß getrennt, begrüßten sich die lang 
geschiedenen Brüder. Flavius hatte im Kampfe für die Römer ein Auge 
verloren. Armin fragte ihn, woher diese Entstellung seines Antlitzes rühre. 
Als jener ihm Ort und Schlacht nannte, forschte Armin weiter, welchen 
Lohn er dafür empfangen habe. Flavins gedachte der Erhöhung feines 
Soldes, der Ordensketten und anderer ihm zu teil gewordenen Ehren. 
„Wie wohlfeil", rief Armin höhnisch ans, „wird doch die Knechtschaft 
erkauft!" Und dann sprachen sie gegen einander, Flavius von Roms 
Größe und des Kaisers Macht, von der Strafe des Abfalls und dem 
Lohne des Gehorsams, von der Sicherheit für Weib und Kind — Armin 
von der Pflicht gegen das Vaterland, von der angestammten Freiheit, 
von den Schutzgöttern Germaniens; er beschwor den Bruder mit den 
dringendsten Bitten, mit ihm — sagte er — stehe die Mutter: er möchte 
sein Haus, seine Familie, seinen Stamm nicht verlassen noch verraten. 
Immer heftiger wurde die Rede; zornglühend forderte Flavius fein Roß 
und feine Waffen; nur mit Gewalt konnte man ihn endlich fortreißen." 
Germanikus überschritt die Weser, und zwei blutige 
Schlachten folgten binnen wenigen Tagen (— in der Gegend, 
wo jetzt Preußisch - Minden liegt —). Die Römer schrieben sich 
zwar den Siegln; sie errichteten eine Säule mit der prunkenden 
Inschrift: „Nach Überwältigung der Völker zwischen Rhein unb Elbe 
hat das Heer des Kaisers Tiberius dieses Deukmal dem Mars, Jupiter 
und Augustus geweiht" — aber doch traten sie sofort den Rück¬ 
zug an, und die Germanen blieben unbezwungen. Bald darauf 
wurde Germanikus von Tiberius zurückberufen; man habe 
genug gethan und gelitten, meinte der letztere; mit Klugheit richte man 
mehr ans als mit Gewalt; man solle die Deutschen lieber ihrer eignen 
Zwietracht überlasten. — In Rom feierte Germanikus wegen feiner ver¬ 
meintlichen Siege einen Triumph, den auch die gefangene Thusnelda 
zierte, während ihr Vater Segest, der Römerfreund, auf erhöhtem Ehren¬ 
platz der Feier zuschaute; dann ging er als Feldherr nach Asien; 
hier fand er durch Gift ein rühmloses Ende. 
VII. Was Tiberius gehofft, geschah: bald genug kehrten die 
Deutschen die Massen gegen einander selbst, den Römern zur 
Freude; „das Glück kann uns Größeres nicht mehr gewähren", sagt ein 
römischer Schriftsteller, „als die Zwietracht unsrer Feinde". 
Marbod, der Markomannenfürst, hatte sein Volk aus den 
bisherigen Wohnsitzen am oberen Main in das rings von Bergen ein¬ 
geschlossene Böhmen geführt (= Land der keltischen Bojer; von ihnen 
trug es seinen Namen: Bojenheim = Böheim = Böhmen). Hier gründete 
er, "nachdem er die Bojer vertrieben, ein starkes Reich und dehnte dasselbe 
durch Eroberung bis zur Oder und Weichsel aus. Nur auf feinen Nutzen 
Bedacht, war er den Freiheitskämpfen fern geblieben. Da¬ 
durch entstand Spannung zwischen ihm und Armin, dem
	        
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