Full text: Deutsche Geschichte mit entsprechender Berücksichtigung der allgemeinen (Kursus 2,2)

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erfreuen. — Nach Auslösung des Hunnenreichs hatten sich 
die Ostgoten in Ungarn und Siebenbürgen niedergelassen. 
Sie waren dem oströmifchen Reiche gefährliche Nachbarn. Durch wieder¬ 
holte Einfälle erzwangen sie sich jährlichen Tribut. Mit Freuden erteilte 
darum der oftrömifche Kaiser dem jungen Gotenkönige Theodorich die er¬ 
betene Erlaubnis, Italien von der Herrschaft Odoakers zu befreien. So 
führte Theodorich die Ostgoten im Jahre 489 nach Italien. 
200000 streitbare Männer mit Weib und Kind und sämtlicher Habe folg¬ 
ten ihm in langen Zügen. Bei Verona besiegte er Odoaker; da¬ 
rum feiert ihn die Sage als Dietrich (= Theodorich) von Bern (— Verona). 
Odoaker zog sich in das feste Ravenna zurück und verteidigte 
sich tapfer drei Jahre lang. Erst nachdem ihm Theodorich Leben 
und Freiheit und Anteil an der Regierung versprochen, 
übergab er die Stadt. Aber schlecht genug hielt man ihm Wort. 
Theodorich argwöhnte — vielleicht blosIzum Schein —, Odoaker be¬ 
absichtige, sich gegen ihn zu erheben und ihm die Herrschaft zu entreißen. 
Um ihm zuvorzukommen, lud er ihn zum Mahle und stieß ihn mit 
eigner Hand nieder. So gründete er in Italien ein Ostgo¬ 
tenreich. 
2. Weife und gerecht herrschte Theodorich mehr denn 30Jahre, 
und mit Recht nennt ihn die Geschichte den Großen. Gern 
verzichtete er auf weiteren kriegerischen Ruhm; fein Streben ging dahin, 
ein König des Friedens zu fein. „ Mögen andere", so erklärte er selbst, 
„ihren Ruhm in dem Untergange eroberter Städte suchen; unser Vorsatz 
ist es, unfern Sieg so zu benutzen, daß die Unterthanen nur beklagen sollen, 
unsre Herrschaft zu spät erlangt zu haben." Und das von den Stürmen 
der Völkerwanderung verwüstete Italien bedurfte eines solchen Friedens¬ 
königs gar sehr. „Nur eine Ernte von Dornen und Unkraut tragen feine 
Gefilde", sagte Theodorich am Ende des Kampfes mit Odoaker. Unter 
ihm aber blühte das zertretene Land wieder auf. „Billig 
wurde das Brod und der Wein, und Arbeit hatten der Künstler und 
Handwerker." Der Gerechtigkeit, Ordnung und Sicherheit war er ein 
kräftiger Schirmherr. „Auf offener Straße konnte man Gold und Silber 
liegen taffen; die Städte schlossen die Thore nicht mehr, und die Häuser 
ließen die Thüren offen; niemand wagte etwas zu rauben — alle fürchteten 
den König." Freilich wendete dieser letztere nicht immer sanfte Mittel zur 
Aufrechthaltung der Ordnung an. „Eines Tages kam eine Witwe zu 
ihm und bat um feinen Schutz: feit dreißig Jahren führe sie eine Klage 
gegen einen hochgestellten Römer, und die Richter sprächen ihr kein Recht, 
sondern verschleppten die Sache. Da ließ der König die Rechtsverderber 
vor sich kommen und fuhr sie an mit feiner mächtigen Stimme: „Ich 
lasse euch den Kopf abschlagen, wenn ihr nicht binnen zwei Tagen die 
Sache zu Ende bringt." Wirklich geschah es so — aber nun rief der 
König: „Also in zwei Tagen konntet ihr der Frau ihr Recht schaffen, 
und dreißig Jahre habt ihr es verschleppt I Ihr habt selbst bewiesen, 
daß ihr des Todes schuldig seid; schlagt ihnen den Kopf ab!" 
Trefflich sorgte Theodorich durch Unterstützung von Ackerbau, Ge-
	        
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