Full text: Bilder aus der Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit bis 1648 (3 = Quarta)

XVI. Kaiser Siegmund. 83 
starb mit unerschüttertem Mute, Lobgesänge auf den Lippen, ein 
echter Märtyrer. / 
Der Fortgang ber Kirchenreform ließ bald zu wünschen übrig 
und stockte vollständig, als man die Wiederbesetzung des päpst¬ 
lichen Thrones in Vorschlag brachte. Siegmund und die Ver¬ 
treter der^deutsck>eu Nation wollten darauf erst eingehn, wenn das 
Reformwerk werter gefördert sein würde, aber sie wurden über¬ 
stimmt und mußten sich schließlich fügen. Wie sie vorausgesehen 
hatten, war der neue Papst, ein Gpqflpr hp.r .^irchpprpfnr-^, mpsrfip 
die Macht des Papstes zu vermindern drohte; nachdem er den 
Nationen in Einzelverträgen (Konkordaten) die Abstellung der 
schlimmsten Schäden zugesichert Hatte, beeilte er sich, das Konzil 
zu schließen (1418). 
Von den großen Aufgaben, die dieses übernommen Hatte, 
war nur die eine, die Beseitigung des Schismas, erfüllt worden; 
die wichtigste, die Reform der Kirche an Haupt und Gliedern, 
blieb unerledigt, und daß der Papst zu ihrer Lösung, wie er 
versprochen Hatte, bald ein neues Konzil berufen würde, konnte 
niemand erwarten. 
D. Der ßusitenhncg. 
Der Märtyrertod ihres schwärmerisch verehrten Lehrers und 
nationalen Vorkämpfers rief unter den Tschechen eine gewaltige 
Bewegung hervor, die sich über ganz Böhmen verbreitete und alle 
Kreise des tschechischen Volkes ergriff. Zwar standen von allem 
Anfang an verschiedene Richtungen einander gegenüber, aber sie 
einigten sich über gemeinsame Forderungen, vor allem in dem 
Verlangen nach dem Genuß des Kelches im Abendmahl (daher 
Kalixtiner, d. i. Kelchler). Die wilden Elemente der Bewegung 
führten allerhand Gewalttaten herbei, und der plötzliche Tod 
Wenzels (1419) steigerte die Verwirrung, da fein Bruder und 
Nachfolger Siegmund den ihm vorgelegten Bedingungen die Be¬ 
stätigung versagt und von allen Hufiten als treubrüchiger 
Mörder ihres Meisters verabscheut wurde. 
Er erwirkte vom Papste die Kreuzzugspredigt gegen die 
ketzerischen Böhmen, ebenso sollte die Reichsacht an dem auf¬ 
rührerischen Lande durch große Reichsheere vollstreckt werden, 
und durch seinen persönlichen Einfluß bewog Siegmund die 
benachbarten Fürsten von Österreich, Baiern und Meißen zu 
Kriegszügen im Interesse des Kaisers. Die Folge war zunächst 
eine furchtbare Verfolgung der Deutschen in Böhmen, die Hab 
und Gut, in unzähligen Fällen auch das Leben verloren; die 
deutschen Städte wurden bedrückt und entvölkert, die deutschen
	        
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