Das „vielgeteilte" Volk.
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3u Wasser einander besucht, miteinander verkehrt und durch den verkehr voneinander
gelernt. — Das Meer, an welchem Griechen und Römer wohnten, war
das Nittelmeer. Hier weht eine milde, feuchte Luft, und fast alle seine Ge¬
stade sind ein fruchtbarer Gottesgarten. — Kein Wintereis hindert jemals die Aus-
und (Einfahrt in den freundlichen Uferbuchten; es kann also jahraus jahrein ohne
Störung ein reges Seeleben walten. — Darum haben sich schon in den ältesten
Zeiten, als man von Griechen und Römern noch nichts wußte, die Volker an die
Küsten dieses gesegneten TTTeeres herangedrängt, und darum wurde dieses TTteer
in Wahrheit „die mitte" der Riten Welt, mit vollem Recht erhielt es den Hamen
„mittelmeer".
3n feinem östlichen Beden hot schon vor etwa 4000 Dohren, als bie Griechen noch
auf seht niedriger Stufe der (Gesittung ftonöen, eine wunderbar hohe Kultur geblüht.
Ihr hauptsitz war die Insel Kreta, hier haben Ausgrabungen in unsern Togen die
Reste großartiger palastbauten zutage gefördert; auch eine Fülle von prachtvollen Vasen,
von Goldschmiede-, Steinschnittarbeiten usw. hat man gefunden. Die Nähe der morgen-
ländischen Kulturstaaten (Babylonien, Ägypten) mag die Kultur auf Kreta begünstigt
haben, und dann hat wieder die kretische Kultur auf die der Griechen förderlich ein¬
gewirkt. (Eine dunkle (Erinnerung an die Wunderwerke Kretas hat bei den Griechen
auch in der Sage fortgelebt (f. S. 18). Daß ein Volk auf das andre so leicht (Einfluß
gewinnen konnte, war dem „völkerverbindenden" Meere zu verdanken.
2. Das „vielgeteilte" Volk der Griechen.
Die Eigenart der Lander. Das griechische Festland wird durch seine Ge¬
birge und durch das vielfach tief eindringende me er in zahlreiche Landschaften von
der verschiedensten Beschaffenheit gegliedert. Darum war von jeher auch die Be¬
schäftigung und Lebensweise der Hellenen sehr mannigfaltig. Huf den Bergtriften im
Innern des Landes nährten sie sich als einfache Hirten. Die Bewohner der Niede¬
rungen waren Bauern. Die Griechen des Küstenlandes traten frühzeitig mit den
Phöniziern in Verkehr. Bald wurden sie selbst auf das ITteer gelockt und lebten als
Schiffer und Kaufleute; in den Küstenstädten blühte neben dem Handel auch allerlei
Gewerbe empor. Die Festlandsgriechen waren in viele einzelne Völker¬
schaften aufgelöst, und in ihrer Lebensweise herrschte die reichste mannig-
faltigkeit.
Griechen aus allen Stämmen und Landschaften besetzten allmählich auch die
Inseln des östlichen TITittelmeeres und gründeten viele Niederlassungen an den
Küsten Kleinasiens. All diese Landsleute auf den Inseln und in den Kolonien lebten
erst recht für sich und auf ihre besondere weise. Jede Landschaft, jede Insel, ja
fast jede größere Stadt mit ihrem Gebiete bildete einen kleinen Staat für sich, und
zwischen den einzelnen Gemeinwesen gab es Streit und Zwietracht ohne Unterlaß.
Die älteste Kultur -er Griechen. (Ehe ein Küstenvolk Schiffe zu bauen und
Seefahrt zu treiben versteht, muß es schon eine gewisse Gesittung erlangt haben.
Früher als die Griechen und die Römer waren die Phönizier so weit fortgeschritten.
Sie sind das älteste Seevolk gewesen (f. S. 5!). Sie zuerst haben den Verkehr