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beschützten ihre Stadt und verheerten mit der Flotte die pelopon-
nesischen Küsten. Da sich das Landvolk vor den Spartanern
nach Athen geflüchtet hatte, so war in dieser Stadt eine unge¬
heure Menschenmenge vereinigt. Unter dieser brach im Jahre 430
eine furchtbare Pest aus, welche 3 Jahre lang wüthete und
einen großen Theil der Einwohner hinraffte. Auch Perikles
erlag ihr, und mit ihm verlor Athen seine Hauptstütze. Zwar
stellte man den weisen und besonnenen Nicias an die Spitze, aber
seine Pläne wurden durch den vom Volke ihm beigegebenen Kleon
(mit dem Zunamen „der Gerber") vereitelt, so daß ein gewisser
und bedeutender Ersolg in dem Kriege nicht zu erringen war.
Ansangs waren die Athener glücklich; es gelang ihnen sogar, die
ganze Besatzung einer Insel, lauter angesehene spartanische Männer,
gefangen nach Athen zu führen. Bald darnach aber erlitten sie
in zwei Schlachten völlige Niederlagen. In der letzten fiel auch
Kleon, und da in ihm das Haupt der Kriegspartei besiegt war,
so gelang es dem Nicias, im Jahre 422 v. Chr. einen fünfzig-
422 jährigen Frieden zwischen Athen und Sparta zum Abschluß zu
”• ^r- bringen. Ja, beide Staaten schlossen sogar ein Bündnis gegen
die dem Friedensschlüsse nicht beigetretenen Staaten.
c. Erneuerung des Krieges. Ju Athen entwickelten sich
allmählich Zustände, die dem Leiter des Staates bald das Re¬
gieren unmöglich machten. Vergeblich predigte Sokrates durch
Wort und That den Weg der Tugend; vergeblich geißelte auch
der Schriftsteller Aristöphaues in seinen Lustspielen die Ver¬
kehrtheiten der Athener. In seinem Leichtsinn gab sich das Volk
der Leitung eines Mannes hin, dessen Ehrsucht, Eitelkeit und
Leichtfertigkeit das Herannahen des Verderbens nur beschleunigte.
Dieser Mann war Alcibiädes.
Alcibiades stammte aus einem angesehenen und reichen Geschlechte
und zog durch Schönheit seiner Gestalt, durch seinen lebhaften Geist, durch
Leichtsinn und Uebermnth die Aufmerksamkeit des Volkes auf sich. Schon
in seiner Jugend gab er Proben seiner Klugheit und seines Uebermnthes.
Einst soll er sich als Knabe, als er auf der Straße Würfel spielte und
gerade werfen wollte, einem heranfahrenden Wagen vor die Pferde gewor¬
fen und dem Fuhrmann zugerufen haben: „Nun fahre zu, wenn du willst!"
worauf der Fuhrmann warten mußte, bis der Wurf geschehen war. Als
Jüngling wettete er in einer lustigen Gesellschaft, daß er einem alten ange¬
sehenen Manne aus offener Straße einen Streich ins Gesicht geben wolle.
Er thats wirklich und lief davon. Am andern Tage jedoch ging er zu dem
Greise, bat ihn um Verzeihung und erklärte sich bereit, die Strafe für seine
That auf sich zu nehmen. Auf solche Weise erreichte er seinen Zweck, die
Angen des Volkes auf sich zu lenken, recht gut. Sein Lehrer war Sokrates;