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dem berühmten griechischen Philosophen Aristoteles übertragen,
welcher den reichbegabten Jüngling in die Tiefen griechischer Weis¬
heit einführte. Besonders war Alexander für Homer begeistert,
dessen Jlliade er in einer Abschrift stets unter seinem Kopfkissen
hatte. Er bewunderte hauptsächlich den Achilles, den er sich Zum
Vorbilde nahm, uud wie jener wählte er sich einen Freund, He¬
phästion, den er seinen Patroklus nannte und bis an's Ende
treu liebte. Ein unauslöschlicher Thatendurst beseelte ihn, Als
einst seinem Vater eine gewonnene Schlacht gemeldet wurde und
alle in der Nähe des Königs sich befindenden Personen darüber
freudig bewegt waren, war allein Alexander stumm und traurig.
Auf die Frage nach dem Grunde seiner Traurigkeit antwortete
er: „Mein Vater wird mir nichts mehr zu thun übrig lassen!"
Wiewohl es ihm in körperlichen Uebungen keiner zuvor that, be¬
theiligte sich Alexander an den öffentlichen Wettkämpfen nicht, da
er dort, wie er sagte, nicht mit Königsföhnen kämpfen könne.
Als achtzehnjähriger Jüngling betheiligte er sich an der Schlacht
bei Chäronea und soll durch seine Unerschrockenheit als Befehls¬
haber einer Reiterabtheilung nicht wenig zum Siege beigetragen
haben. Als einst seinem Vater ein prächtiges, aber sehr wildes
Pferd, Bueephalus, zum Kaufe angeboten wurde und selbst
die besten Reiter das Pferd nicht besteigen und reiten konnten,
bat Alexander seinen Vater, der das Pferd eben abführen lassen
wollte, ihm auch einen Versuch zu gestatten. Er hatte bemerkt,
daß das Pferd sich vor feinem Schatten fürchtete und führte es
deshalb gegen die Sonne. Dann streichelte er es ein wenig,
und plötzlich faß er ihm auf dem Rücken. Das erschreckte Thier
flog pfeilschnell mit ihm davon, so daß man für fein Leben
fürchtete. Bald aber kehrte er zurück und lenkte das Roß bald
rechts, bald links. Alle staunten, und König Philipp rief aus:
„Mein Sohn, suche dir ein anderes Königreich; Macedonien ist
für dich zu klein."
c. Alexanders erste Thaten. Alexander war 20 Jahre
alt, als er die Regierung antrat. Nachdem er sich in Macedonien
Geltung verschafft hatte, ließ er sich auf einer Staaten-Verfamm-
lung in Korinth zum unbeschränkten Oberfeldherru der Griechen
ernennen. Dann wandte er sich mit feinem Heere in den nörd¬
lichen Theil Macedoniens, um dessen empörte Völkerschaften zum
Gehorsam zurückzuführen. Während dieses siegreichen Feldzuges
verbreitete sich in Griechenland die Nachricht von seinem Tode.